„No one here gets out alive“
Der Tod hat viele Gesichter. Und er steht uns allen bevor, wie schon Jim Morrison, Sänger der Band „The Doors“ (1943–1971), wusste: „No one here gets out alive“. Wie können wir mit dem Tod, unserem eigenen und dem der anderen, umgehen? Wie der Angst vor ihm begegnen? Und wo fordert uns der Tod im Leben heraus?
Die jüdische Tradition kennt viele Antworten auf diese und andere Fragen. Sie bilden den roten Faden der ersten kulturgeschichtlichen Ausstellung über Praktiken des Umgangs mit Sterben, Tod und Trauer. „Im Angesicht des Todes“ nimmt die Unterscheidung von Leben und Tod in den Blick, die im Zentrum der jüdischen Tradition steht. Die Ausstellung orientiert sich an den Übergangsriten, in denen diese Unterscheidung vollzogen wird, und thematisiert ethische und psychologische Fragen angesichts der letzten Passage des Lebens. Sie wirft einen Blick in die „Häuser des Lebens“, die jüdischen Friedhöfe Frankfurts, und fragt abschließend nach der Gestalt der kommenden Welt.
Jüdische Vorstellungen und Praktiken rund um Sterben, Tod und Trauer eröffnen eine vielschichtige Perspektive auf das Leben und dessen Ende. Die Ausstellung stellt diese in einer multiperspektivischen Präsentation vor und macht jüdische Sterbe-, Beerdigungs-, Trauer- und Gedenk-Rituale erfahrbar.
„Auf Simches“
„Auf Simches“, sagen die Trauergäste beim Verlassen des Friedhofs nach einer jüdischen Beerdigung, was so viel bedeutet wie: Mögen wir uns bei einem freudigen Fest wiedersehen.
Die Ausstellung hält sich an diese Perspektive, die der Schriftsteller Scholem Alejchem (1859–1916) mit den Worten kommentierte: „No matter how bad things get, you’ve got to go on living, even if it kills you.“ Er betonte damit die Hinwendung an das Leben selbst, das die jüdische Tradition auszeichnet.
„Im Angesicht des Todes“ wendet sich den Übergangsriten am Ende des Lebens zu. Die Ausstellung thematisiert zu Beginn des Rundgangs, welche Rituale das Sterben und den Prozess des Abschiednehmens begleiten. Sie widmet sich dabei auch ethischen Fragestellungen, die mit der Unterscheidung von Leben und Tod einhergehen: Wann tritt der Tod aus medizinischer Sicht ein? Ist es vertretbar, ihn frühzeitig herbeizuführen und Sterbehilfe zu leisten? Und ist eine Organspende mit dem Religionsgesetz vereinbar?
Häuser des Lebens
Als „Haus des Lebens und der Lebenden“ wird im Hebräischen ein Friedhof bezeichnet. Eigens zur Ausstellung „Im Angesichts des Todes“ haben wir die beiden historischen Friedhöfe an der Batonstraße und der Rat-Beil-Straße eingehend untersucht. Die Ergebnisse werden in dem Interview-Film „Der Gute Ort“ präsentiert, der erstmals in der Ausstellung zu sehen ist. Der Film eröffnet den Blick auf die Einzigartigkeit dieser beiden Friedhöfe und ergründet deren Anziehungskraft in der Gegenwart.
Neben den Friedhöfen wendet sich die Ausstellung im weiteren Verlauf des Rundgangs den vielfältigen Beerdigungspraktiken seit biblischen Zeiten zu, die die Basis der heutigen Zeremonien bilden. Wie bedeutsam diese für Angehörige von Verstorbenen sind, veranschaulicht die Corona-Pandemie. Aufgrund der Beschränkungen waren während der Pandemie Beerdigungen und Trauerbräuche nur eingeschränkt im traditionellen Sinn möglich. Ein Gesprächsfilm bringt den Besuchenden diese besondere Situation näher.
Die kommende Welt
Der Unterschied zwischen Leben und Tod und die Notwendigkeit, sich von den Verstorbenen zu verabschieden, wird in der Trauer schmerzlich erfahrbar. Dieser Erfahrung widmet die Ausstellung einen eigenen Reflexionsraum, der zu einer partizipativen Auseinandersetzung mit der persönlichen Trauer einlädt. Sie geht zudem im weiteren Verlauf des Rundgangs auf die jüdische Erinnerungspraxis ein, die die Namen der Verstorbenen im Gedächtnis bewahrt. Einen besonderen Raum widmet sie dabei dem gemeinschaftlichen Gedenken an die Pogrome des Mittelalters, an die Opfer der Schoa und des Massakers vom 7. Oktober 2023 in Israel
Im letzten Raum wendet sich die Ausstellung jüdischen Vorstellungen und Quellentexten zur „Olam Haba“ (hebräisch: die kommende Welt) zu, die keine allgemeingültigen Antworten geben. Eine abschließende Video-Installation entlässt die Besuchenden mit Fragen und Assoziationen - nicht zuletzt auch hinsichtlich der Gemeinsamkeiten von Vorstellungen über die kommende Welt in der jüdischen und der christlichen Tradition.
Die israelische Künstlerin Ruth Patir (geb. 1984) setzt sich in ihrer Videoinstallation „My Father in the Cloud“ mit einem neuen Phänomen auseinander: jemanden zu verlieren in einer Ära, in der seine digitale Präsenz über den Tod hinaus bestehen bleibt. Sie nutzt das digitale Medium, um neue Sichtweisen und Horizonte zu eröffnen und experimentiert nach dem Tod ihres Vaters mit Möglichkeiten der Wiederauferstehung oder des Weiterlebens – der Schaffung eines Avatars. „I could dance with him again“, sagt sie in dem Film, und so simuliert sie seine Präsenz, prüft die Möglichkeit, neue Erinnerungen an ihn zu kreieren, und lässt uns an diesem Prozess teilhaben
© Courtesy of the artist and Braverman Gallery, Tel Aviv
Ausstellungsskulptur und Programm
Eine Ausstellungsskulptur aus Lehm und Licht macht die Unterscheidung zwischen der Stofflichkeit des Lebens und der immateriellen Sphäre der kommenden Welt (hebräisch: Olam Haba) erfahrbar. Um vielfältige Zugänge zu den rituellen Gegenständen, Kunstwerken und Medien zu eröffnen, die in dieser Skulptur zu sehen sind, wurden verschiedene Gruppen eingeladen, Texte zu den Exponaten zu verfassen, die ihren persönlich geprägten Blick auf das Gezeigte widerspiegeln. Ein umfangreiches Rahmenprogramm bietet während der Laufzeit der Ausstellung zudem vielfältige Zugänge zum Thema an. Neben Veranstaltungen, Führungen und Workshops umfasst dieses Programm eine eigene Tour auf dem Mediaguide des Museums mit einer fokussierten und einer vertiefenden Themenspur. Ein Podcast, der Stimmen verschiedener Menschen themenerweiternd vereint, begleitet die Ausstellung ebenso wie eine Playlist mit Songs, in denen der Tod eine zentrale Rolle spielt. Friedhofsführungen erweitern den Raum der thematischen Auseinandersetzung über die Mauern des Museums hinaus. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in englischer und in deutscher Sprache im Verlag Hentrich & Hentrich.
Angebote für Schulklassen und Lehrkräfte
Für Schulklassen bieten wir eigens entwickelte Führungen durch die Ausstellung und einen thematischen Workshop an. Beide Angebote finden Sie hier. Für Lehrkräfte bieten wir am Donnerstag, 7. November von 15.30 bis 17.00 Uhr eine Fortbildung zur Ausstellung. Dabei stellen wir auch unsere Schulklassenangebite eingehend vor. Hier erfahren Sie mehr darüber.
Öffentliche Führungen
Öffentliche Führungen durch die Ausstellung finden wöchentlich statt am Donnerstag um 18 Uhr und am Sonntag um 11 Uhr; jeden zweiten Sonntag des Monats auf Englisch. Die Teilnahme ist im Museumseintritt inbegriffen. Alle Termine und die Anmeldeinformationen finden Sie in unserem Kalender.
Wir bedanken uns für die großzügige Förderung durch die Art Mentor Foundation Lucerne und der Kulturstiftung der Länder.
Ausstellungsort:
Jüdisches Museum Frankfurt
Heute geschlossen
- Museumsticket (Dauerausstellung Jüdisches Museum+Museum Judengasse) regulär/ermäßigt12€ / 6€
- Kombiticket (Wechselausstellung + Museumsticket) regulär/ermäßigt14€ / 7€
- Wechselausstellung regulär/ermäßigt10€ / 5 €
- Familienkarte20€
- Frankfurt Pass/Kulturpass1€
- Am letzten Samstag des MonatsFrei
(ausgenommen Teilnehmer gebuchter Führungen)
- Eintritt nur Gebäude (Life Deli/Museumshop/Bibliothek)Frei
Freien Eintritt genießen:
Mitglieder des Fördervereins
Geburtstagskinder jeden Alters
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre
Studenten der Goethe-Uni / FH / HfMDK
Auszubildende aus Frankfurt
Geflüchtete
Inhaber von Museumsufer-Card oder Museumsufer-Ticket
Inhaber der hessischen Ehrenamts-Card
Mitglieder von ICOM oder Museumsbund
Ermäßigung genießen:
Studenten / Auszubildende (ab 18 Jahren)
Menschen mit Behinderung ab 50 % GdB (1 Begleitperson frei)
Wehr- oder Zivildienstleistende / Arbeitslose
Inhaber der Frankfurt Card
Bertha-Pappenheim-Platz 1, 60311 Frankfurt am Main