Ein Gespräch mit Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt, über Formen des Gedenkens in Polen und Deutschland und die aktuelle Wechselausstellung „Hideouts / Architekturen des Überlebens“. Das Gespräch führte Carmela Thiele.
Frau Wenzel, Sie zeigen eine in Warschau produzierte Ausstellung der Künstlerin Natalia Romik, in der es um Verstecke verfolgter polnischer und ukrainischer Juden während des Holocausts geht. Wie haben Sie auf den Vorschlag reagiert, die Ausstellung in Frankfurt zu zeigen?
Mein erster Gedanke war: Zum Thema der Verstecke verfolgter Juden gibt es nicht mehr viel zu sagen. Prominente Persönlichkeiten wie Anne Frank oder Margot Friedländer haben ihre Erfahrungen im Versteck während der NS-Zeit aufgeschrieben. Was soll man da noch Neues erzählen? Ich bin aber zur Eröffnung in der Galeria Zachęta nach Warschau gereist, weil ich Natalia Romik schon lange kenne und schätze. Sie beschreitet in der Erforschung der jüdischen Kultur und Geschichte in Polen neue Wege. Dann wurde mir klar, dass Jüdinnen und Juden in Polen und in der Ukraine viel weniger Zeit hatten, sich ein Versteck zu organisieren, weil ihre Verfolgung unmittelbar mit den nationalsozialistischen Eroberungen einsetzte. Natalia Romik nimmt in den Blick, was bislang wenig beachtet wurde: die Materialität und Größe der Verstecke. Um eben diese Materialität zu erforschen, stellte sie ein interdisziplinäres Team zusammen, das Forschungen vor Ort vornahm.
Worin besteht die interdisziplinäre Vorgehensweise von Natalia Romik und zu welchen Ergebnissen kam sie?
Für ihre Ausstellung Hideouts / Architekturen des Überlebens wandte Romik Forschungsmethoden an, die in der Architektur und der Forensik üblich sind, wie etwa Wärmebildaufnahmen und 3-D-Scans, und verband diese mit empirischen Untersuchungen aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Sie ging der Frage nach, was von dem Raum geblieben ist, wie groß er war, wie es sich angefühlt hat, in ihm zu leben. Sie nahm Abdrücke von den Wänden der Verstecke und entwickelte aus daraus Skulpturen. Ihre Ausstellung besteht aus einer Kombination von künstlerischen, wissenschaftlichen und dokumentarischen Darstellungen. Eben das macht die Darstellung der Verstecke so plastisch. Im Fall eines Unterschlupfs in Lwiw in der heutigen Ukraine hat man den Eindruck, man könne die Kanalisation, die an den gezeigten Gegenständen haftet, förmlich riechen.
Ein solches interdisziplinäres Denken und Handeln ist in Museen selten. Ist das ein singulärer Ansatz?
Es ist wichtig zu betonen, dass Natalia Romik nicht allein, sondern stets im Team arbeitet. Sie hat über Jahre hinweg ein Netzwerk an Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern, Künstlerinnen und Künstlern aufgebaut, mit denen sie gemeinsam Ausstellungen und künstlerische Projekte entwickelt. Darin ist sie beispielgebend. Für Hideouts / Architekturen des Überlebens etwa spielte ihre Zusammenarbeit mit Aleksandra Janus eine große Rolle. Die Anthropologin ist unter anderem Präsidentin der Stiftung Zapomniane, die sich für das Auffinden und die Markierung von Massengräbern des Holocausts in Polen einsetzt. Sie hat zusammen mit Natalia Romik viele der Hideouts-Untersuchungen durchgeführt und Gespräche mit den Menschen vor Ort geführt.
Das klingt nach einem neuartigen Ansatz. Sind die Polen, was die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte angeht, weiter als wir in Deutschland?
Ganz bestimmt nicht. Aber solche Ansätze sind überaus interessant, weil in Polen andere Fragen gestellt und neue Perspektiven eingenommen werden. Zum Beispiel ist es in der polnischen Holocaust-Forschung üblich, vom Leben auf der arischen Seite zu sprechen. Damit ist der Blick aus dem Ghetto heraus auf das Leben der Bevölkerung gemeint, die unter nationalsozialistischer Besatzung lebte, aber nicht ghettoisiert war. Eine dezidiert jüdische Perspektive auf die Geschichte der Jahre 1939-45 also – und eben diese ist in der deutschen Holocaust-Forschung weit weniger geläufig.
Ein anderes Beispiel ist der Begriff postjüdisch. Er meint die Auseinandersetzung mit dem geraubten Eigentum der Ermordeten, ihren Wohnungen und dem, was sich darin befand. In Deutschland wird die Frage, wie mit geraubtem jüdischem Besitz umzugehen sei, mit Begriffen wie Arisierung, „NS-verfolgungsbedingter Entzug“, Restitution oder Wiedergutmachung verhandelt. Diese auf reale Kompensation gerichtete Dimension hat es in Polen nicht gegeben. Der Raub ist dort irreversibel – nicht nur, weil die Organisation Conference on Jewish Material Claims in Polen nicht aktiv war, sondern weil ein Großteil der Städte und Dörfer, insbesondere in den östlichen Gegenden, aus ehemaligen Wohnhäusern von Jüdinnen und Juden besteht.
Die polnische Erinnerungskultur hat sich also aufgrund der unterschiedlichen Verhältnisse anders ausgeprägt als die deutsche Erinnerungskultur?
Ja, bei dem Begriff postjüdisch geht es in erster Linie um Bewusstseinsbildung. Dass es sich um einen Gegenstand oder einen Ort handelt, der jüdisches Eigentum war. Um eine konkrete Form der Erinnerung an die mehr als 3 Millionen polnischen Jüdinnen und Juden, die in der Schoa ermordet wurden. Natalia Romik bezieht diesen Begriff postjüdisch in erster Linie auf den Stadtraum.
Wenn wir eine solche Perspektive hier in Frankfurt aufriefen, würden wir das Ostend und das Westend als postjüdische Gegenden bezeichnen, in denen ein Großteil der Häuser, Geschäfte und Einrichtungen Jüdinnen und Juden gehörten, die vertrieben oder ermordet wurden. Anstatt einer solchen erinnerungspolitischen Perspektive auf den Stadtraum widmet man sich in Deutschland vielmehr der Erinnerung an die Einzelschicksale. Es gibt die Stolpersteine, aber dennoch fehlt in der breiten Bevölkerung das Bewusstsein, dass wir an Orten leben, die einst Jüdinnen und Juden gehörten oder von ihnen aufgesucht und geprägt wurden.
Im Nachkriegspolen kam es wiederholt zu antisemitischer Hetze und massiver inoffizieller Ausgrenzung.
Die zurückgekehrten polnischen Jüdinnen und Juden waren in den Jahren 1945 bis 1948 erneut Pogromen ausgesetzt, etwa in Krakau und in Kielce. Viele flohen weiter in den Westen und suchten Schutz in den Displaced-Persons-Lagern der US-amerikanischen Zone, wo sie ihre Emigration vorbereiteten. Das war die erste Auswanderungswelle.
Die zweite Welle erstreckte sich auf alle postsowjetischen Länder und war eine Folge des Prager Frühlings und der Studentenbewegung 1968. Die kommunistischen Regierungen machten für diese Proteste nicht nur den Westen, sondern auch die Jüdinnen und Juden in den eigenen Ländern verantwortlich. Viele polnische Jüdinnen und Juden, wie etwa der polnisch-amerikanische Historiker und Soziologe Historiker Jan Gross, wanderten damals aus oder machten ihren jüdischen Familienhintergrund unkenntlich. Nach dem Fall der Mauer und dem Ende der sowjetischen Vorherrschaft kam es zu einer Entdeckungsbewegung jüdischer Familiengeschichten, die auch noch anhält. Viele polnische Juden, die in die USA oder in England lebten, haben im Zuge dieser jüdischen Renaissance in Polen eine polnische Staatsbürgerschaft beantragt.
Also spielt das Ende der Sowjetunion eine wichtige Rolle?
Ja, aber auch die gegenwärtige Situation. Angesichts des angestiegenen Antisemitismus fragen sich Jüdinnen und Juden weltweit, wo sie in Zukunft sicher leben können. In Polen ist der Antisemitismus insbesondere im Internet sowie auf dem Land weit verbreitet. Allerdings leben derart wenige Jüdinnen und Juden in Polen, dass es sich vielmehr um antisemitische Projektionen als um verbale oder physische Gewalt gegen konkrete Personen handelt. Daher gilt das Land heute paradoxerweise als virtuell antisemitisch und sicher zugleich.
Kommen wir zurück auf das Ausstellungsprojekt. Waren in Polen die Verstecke bereits erforscht?
Es gibt ein Buch von Marta Cobel-Tokarska in polnischer Sprache, eine quantitative Übersicht über die Verstecke in Polen. Demzufolge überlebten etwa 50.000 polnische Jüdinnen und Juden versteckt die Schoa. Natalia Romiks Arbeit basiert auf dieser quantitativen Forschung und ergänzt diese um Archivrecherchen und Oral History Überlieferungen. Romik geht davon aus, dass das Wissen um die Schoa in der lokalen polnischen Bevölkerung noch vorhanden ist und im Gegensatz zu Deutschland auch nicht als Geheimnis betrachtet, sondern ohne Umschweife erzählt wird. Mit ihren forensischen Untersuchungen hat sie dieses Wissen auf seinen Wahrheitsgehalt hin geprüft.
Können Sie Romiks Arbeitsweise am Beispiel eines in der Ausstellung gezeigten Verstecks verdeutlichen?
Ein ausgewöhnliches Beispiel für ein Versteck, von dem die lokale Bevölkerung wusste, ist die sogenannte Josefseiche im Park des Schlosses von Wiśniowa im Karpartenvorland. Die Eiche ist mehr als 650 Jahre alt. Niemand aber hatte zuvor ihren hohlen Innenraum untersucht. Natalia Romik organisierte eine Hebebühne und hielt eine Endoskop Kamera in diesen Innenraum. Sie sah mehrere Stufen aus Holz, die in die Eiche hineingebaut waren. Sie recherchierte in Archiven, führte weitere Gespräche und fand heraus, dass die beiden Brüder, die sich hier versteckten, nicht Hymni hießen, wie sie von der lokalen Bevölkerung genannt wurden, sondern Paul und David Denholz. Sie erfuhr, dass sie überlebt hatten, in die USA emigriert waren und Nachkommen hatten, mit denen sie dann auch Kontakt aufnahm. Diese Art der Recherche und die persönliche Begegnung sind das Besondere an ihrer Arbeit.
Die Verstecke, die Natalia Romik für ihr Projekt ausgewählt hat, die Eiche, der tote Arm der Kanalisation in Lwiw, das Grab auf dem Friedhof in Warschau oder die Höhlen Verteba und Ozerna, unterscheiden sich sehr in ihrer spezifischen Räumlichkeit. Hat die Künstlerin bewusst solche markanten Orte ausgewählt?
Das kann ich nicht genau sagen. Viele ihrer Recherchen fanden während der Pandemie statt, als die Bewegungsfreiheit eingeschränkt war. Dementsprechend war Natalia Romik auf bereits bestehende Kontakte angewiesen. Viel entscheidender aber ist, dass ihre Recherchen Wirkung zeigen. In dem Versteck auf dem großen jüdischen Friedhof an der Okopowa Straße in Warschau, in dem mehrere Menschen entdeckt und erschossen wurden, soll nun ein Gedenkort entstehen. Natalia Romik hat zudem herausgefunden, dass es noch andere Gräber auf dem Friedhof gibt, in denen Menschen versuchten, sich zu verstecken. Sie hat sich mit jedem einzelnen Ort über einen längeren Zeitraum hinweg intensiv beschäftigt.
Natalia Romik zeigt in der Ausstellung auch Skulpturen. Das sind Abgüsse eines symbolisch für das Ganze stehenden Teils der Schutzräume. Eine Seite der Skulpturen ist versilbert. Sie sollen als Spiegel wirken. Warum Spiegel?
In Romiks Arbeiten spielen Spiegel eine wichtige Rolle. Bei ihrem Projekt Nomadic Schtetl Archive, einer künstlerischen Aktion, die sie während ihrer Doktorarbeit durchführte, fuhr sie in die ehemaligen Schtetls im Südwesten Polens mit einem verspiegelten Anhänger, in dem sie Dokumente verwahrte. Die Archivmaterialien bildeten den Ausgangspunkt für Gespräche mit der Bevölkerung, in denen sie neue Materialien und weiteres Wissen gewann.
Das Nomadic Schtetl Archive hatte die Gestalt eines rollenden Hauses und spielte mit der Wirkung und Symbolik des Spiegels. Spiegel im öffentlichen Raum machen sichtbar und unsichtbar zugleich. Dieses Spiel mit Sichtbarkeiten hat Natalia Romik mit der Versilberung der Abgüsse von aus den Verstecken, also den Skulpturen in der Ausstellung Hideouts / Architekturen des Überlebens fortgeführt. Zugleich ging es ihr um eine bestimmte Wertigkeit.
Die Arbeit wurde von einem Silberschmied ausgeführt, der sonst Ikonen herstellt. Die Versilberung huldigt also denjenigen, die für ihr Leben gekämpft und die Verstecke gebaut haben. Und zugleich spielt sie mit der Sicht- und Unsichtbarkeit, die für die Architektur von Verstecken entscheidend war. Die Skulpturen weisen eine dunkle, erdige und eine versilberte Seite auf, eine nach außen weisende Verspiegelung.
Wie wird aus einem solchen Projekt, einer solchen Recherche eine Ausstellung für das Jüdische Museum Frankfurt?
Die Ausstellung war zuvor in zwei polnischen zeitgenössischen Kunstinstitutionen zu sehen, der Nationalen Kunstgalerie Zachęta in Warschau und dem Zentrum für zeitgenössische Kunst TRAFO in Szczecin, Stettin. Natalia Romik begreift ihre Arbeit als ein Kunstprojekt.
Was macht die Hideouts-Recherche zu einem Kunstprojekt? Wie lässt sich Romiks Kunst von ihrer Auftragsarbeit für das POLIN Museum in Warschau trennen, das sich mit der Kultur und Geschichte der polnischen Juden befasst?
In POLIN hat Romik als Ausstellungsarchitektin einen Teil der Dauerausstellung gestaltet und zudem bislang zwei Ausstellungen kuratiert. Die eine widmete sich den Vertreibungen von 1968, die andere den Darstellungen des Lebens im Schtetl Opatów von Mayer Kirshenblatt. Wenn Natalia Romik als Kuratorin agiert, ist sie stets auch als Gestalterin tätig. In solchen Fällen kommt das SENNA-Kollektiv zum Einsatz, wie etwa auch in unserer Ausstellung im Jüdischen Museum in Frankfurt. Sie ist es gewohnt, fluide Rollen einzunehmen.
Wie lässt sich das Museum POLIN beschreiben?
POLIN feiert in diesem Herbst sein zehnjähriges Bestehen, ist also eine relativ neue Einrichtung, das von drei verschiedenen Körperschaften getragen wird: der Association of the Jewish Historical Institute of Poland, der Stadt Warschau und dem polnischen Staat. POLIN setzte von Anfang an zur Finanzierung seiner Programme auf internationales Private-Public-Partnership. Die Museumseröffnung wurde von langer Hand und von unterschiedlichen Forschungsinitiativen vorbereitet. Dies stieß eine Veränderung in der internationalen Wahrnehmung Polens an. Vor der Eröffnung von POLIN reisten Jüdinnen und Juden sowie an jüdischer Geschichte interessierte Menschen gemeinhin nach Polen, um eines der Vernichtungslager zu besuchen. Heute erfährt die jüdische Geschichte des Landes sowohl im ländlichen wie auch im städtischen Raum eine viel größere internationale Aufmerksamkeit.
Was unterscheidet das POLIN von den Jüdischen Museen in Deutschland?
POLIN ist das zweitgrößte Jüdische Museum in Europa, das dreizehn Jahre nach dem Jüdischen Museum Berlin eröffnete und viel von diesem ersten und größten Jüdischen Museum in nationalstaatlicher Trägerschaft übernommen hat. Das Jüdische Museum Frankfurt indessen nahm seinen Betrieb noch vor dem Fall der Mauer auf, als erstes kommunales Jüdisches Museum in Deutschland. Damals musste, ebenso wie im Museum POLIN vor der Eröffnung, viel Pionierarbeit geleistet werden.
Warum?
Die geschichtsbezogenen Jüdischen Studien, in denen die materielle jüdische Kultur erforscht wird, existierten damals nur in den USA. Die Judaistik an den deutschen Universitäten wurde von Professoren betrieben, die eher aus der Alten Kirchengeschichte kamen, sich mit Talmud und mittelalterlichen Texten befassten, aber wenig Interesse an der jüngeren jüdischen Geschichte hatten, deren Zeugnisse in Jüdischen Museen weltweit gesammelt und bewahrt werden. Im Frankfurter Museum musste deshalb die Erforschung materieller jüdischer Kultur in Deutschland erst entwickelt werden.
Als das Jüdische Museum Berlin im September 2001 im Libeskind-Bau eröffnete, war dieses Feld schon weitgehend bestellt. Das neue Museum in bundesunmittelbarer Trägerschaft war und ist auch eine symbolische Einrichtung, mit der die Bundesrepublik Deutschland als Nachfolgestaat des Dritten Reichs ihre Verantwortung für das Bewahren und Vermitteln jüdischer Geschichte und Kultur anerkennt. Aufgrund dieser Symbolik hat das Haus eine große Wirkmächtigkeit. Und eben darin ähnelt es POLIN.
Worin liegt die Chance unkonventioneller Ansätze, wie sie Natalia Romik und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter verfolgen?
Wir erleben derzeit eine Zeitenwende – auch in erinnerungspolitscher Hinsicht. Mit den letzten Zeitzeugen verschwinden die Möglichkeiten, mehr über die Schoa von denjenigen zu erfahren, die sie erlebt haben. Daher wird es für Gedächtnis- und Bildungseinrichtungen immer dringlicher, das Geschehen anschaulich zu vermitteln. Da wir Lernorte, aber eben auch Kultureinrichtungen sind, interessiert mich persönlich in diesem Zusammenhang vor allem die Frage: wie können wir das Geschehen anschaulich vermitteln, ohne in erster Linie didaktisch zu sein? Wie lässt sich eine ästhetische Erfahrung für unsere Besucherinnen und Besucher ermöglichen, die berührt und verständlich macht, ohne durch eine Fülle von Informationen zu überfordern? Natalia Romiks Kombination verschiedener Zugänge zur Geschichte und Materialität der Verstecke gibt darauf eine Antwort. Das ist die besondere Stärke dieser Ausstellung.
Viele Projekte der Erinnerungskultur oder der Kunst neigen zu einer Heroisierung der Überlebenden oder verharren in der Anklage des Unrechts. Inwiefern setzt sich Natalia Romiks Kunstprojekt von traditionellen Strategien der Verhandlung solcher Themen ab und kann die Arbeit der Jüdischer Museen inspirieren?
Pathos ist eine Geste, die nur selten in die Zukunft verweist. Aber um eben diese geht es nun in der praktischen Erinnerungsarbeit. Natalias Ausstellung verfolgt einen post-heroischen Ansatz in der Erinnerung an die Überlebenden, lenkt den Blick auf ihre Sorgen und Nöte sowie ihre Kreativität im Einrichten von Verstecken. Eben diesen Zugang halte ich für zukunftsfähig. Es war für mich wichtig, ihre Ausstellung in Deutschland, genauer: in Frankfurt zu zeigen, weil viele Mitglieder der hiesigen Jüdischen Gemeinde einen osteuropäischen Hintergrund haben und wir ansonsten gemeinhin die Geschichten von deutschen Juden erzählen, die, wie die Familie Frank, ihr Versteck von langer Hand vorbereiten konnten.
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