Koscher-vegane Speisen aus dem Life Deli Frankfurt

Koscher und vegan

Interview mit dem Betreiber des Life Deli, Nir Rosenfeld
Porträt Sara Soussan
23. März 2023Sara Soussan

Das neue Life Deli im Jüdischen Museum bietet vegane und koschere Speisen und Getränke. Mit dem Betreiber, dem Frankfurter Gastronomen Nir Rosenfeld, sprachen wir über die Vereinbarkeit der Kaschrut, also den jüdischen Speisegesetzen, mit dem Veganismus. Die Fragen stellte Sara Soussan, unsere Kuratorin für jüdische Kulturen der Gegenwart.

Ist eine vegane Lebensweise für Dich mit jüdischen Traditionen vereinbar?

Definitiv Ja. Ein veganer Lebensstil ist das jüdische Ideal, das sehe nicht nur ich so. Dies finden wir bereits im Buch Genesis bei der Erschaffung der Welt, darüber prophezeiten die Propheten, und das sagten die Gelehrten Israels in ihren Generationen. Der Verzehr von Fleisch ist eigentlich nur als Zugeständnis erlaubt.

Man muss unterscheiden zwischen der jüdischen Religion und der sozialen Kultur, die sich darum herum entwickelt hat. Ich kann die Verwirrung nachvollziehen: da jüdisch-religiöse Menschen Fleisch essen, scheint es, als ob es eine Lebensweise sei, die von der Religion vorgegeben werde. Dem ist jedoch nicht so. Es ist die soziale Kultur, die sowohl nicht religiöse als auch religiöse Menschen dazu brachte, Fleisch zu essen.

Im Januar 2023 eröffnete der Frankfurter Gastronom Nir Rosenfeld das koscher-vegane Life Deli im Jüdischen Museum. In Frankfurt betreibt er außerdem das Restaurant "Kuli Alma" im Nordend, das "Dominion Food Revolution“ am Grüneburgweg sowie die "Zeil Kitchen" mitten in der Innenstadt - allesamt vegan.

Foto von Nir Rosenfeld

Was sagen denn die jüdischen Schriften zu einer veganen Ernährung?

Die Tora verbietet den Verzehr von Fleisch nicht ausdrücklich, doch eine vegane Ernährung wird als Ideal beschrieben. Der erste Mensch erhielt von seinem Schöpfer eine klare Anweisung für seine Ernährung (Genesis 1,29): „Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben allerlei Kraut, das sich besamet, auf der ganzen Erde, und allerlei fruchtbare Bäume und Bäume, die sich besamen, zu eurer Speise“. Der erste Mensch durfte also alles essen, was auf der Erde wächst. Er durfte keineswegs Tiere töten, nur um sie zu essen.

Das Ideal veganer Ernährung erscheint aber auch im Buch Jesaia (11,6), wo das Reich Gottes als ein Ort beschrieben wird, an dem es keinerlei gegenseitiges Töten mehr geben werde und alles, was lebt, in Frieden und Verantwortung miteinander existieren werde.

Essen Veganer automatisch koscher? Was ist zu beachten?

Nach den Regeln des jüdischen Religionsgesetzes ist ein Produkt, das per Definition vegan ist, nicht automatisch koscher; und umgekehrt. Aber durch veganes Essen erübrigen sich viele der bekannten Einschränkungen und Regeln der Kaschrut, der jüdischen Speisegesetze, speziell, was die Trennung von Milchigem und Fleischigem angeht. Es muss nichts mehr – wie beispielsweise das Geschirr – getrennt werden.

Es gibt weitere Regeln, die beachtet werden müssen, auch bei veganem Essen. Zum Beispiel beim Chametz-Verbot zu Pessach: Während Pessach darf nichts Gesäuertes (hebr. „Chametz“) besessen oder gegessen werden. Chametz sind alle Speisen und Getränke, die aus den Getreidesorten Weizen, Gerste, Dinkel, Hafer und Roggen hergestellt werden. Das Chametz muss vor Pessach aus dem Haushalt entfernt und alles – von den Böden bis zum Geschirr – , was mit ihm in Berührung gekommen ist, gereinigt oder ausgetauscht werden. Ferner ist es zu Pessach auch nicht erlaubt, Gewinne aus Chametz zu erzielen.

Einschränkungen gibt es auch mit Blick auf das sog. Schmitta-Jahr, in dem nach biblischem Gebot auf der Erde des Heiligen Landes nichts gepflanzt und nichts geerntet werden darf. Das betrifft also Obst und Gemüse aus Israel. Eine weitere Regel, die es zu beachten gilt, ist das Verbot des Kochens am Schabbat. Koscherer Salat muss zudem nach besonderen Kriterien gewaschen werden, damit wirklich keinerlei Tiere mehr darin sind. Und Traubensaftprodukte wie Balsamico-Essig und Weine müssen aus koscherer Produktion stammen. Das sind Dinge, die meist nicht das Koschersein des eigentlichen Essens betreffen, sondern die Art und Weise, wie es gemacht wird.

Sind die gängigen Fleischersatzprodukte, wie beispielsweise „Beyond Meat“, koscher?

Ja, für Beyond Meat und viele andere vegane Produkte gibt es ein eigenes Vegan-Koscher-Zertifikat. Es bestätigt, dass ein Produkt nach allen Regeln des jüdischen Gesetzes hundertprozentig koscher ist – und eben auch vegan.

Kann man die traditionellen jüdischen Feiertagsgerichte auch vegan zubereiten?

Ja, natürlich. Es gibt keine verpflichtende Verbindung zwischen der jüdischen Religion und einem bestimmten Gericht. Die Idee ist, den Feiertag mit gutem Essen zu genießen, und es mangelt nicht an hervorragendem veganem Ersatz. Zu Pessach hat man beispielsweise auf dem Sederteller verschiedene symbolische Speisen, so auch einen Knochen. Veganer und Vegetarier ersetzen ihn dann durch eine Karotte o.ä, oder das Ei durch ein rundes Gemüse. Challa – das spezielle Hefebrot für den Schabbat – kann man wunderbar ohne Ei backen, und auch die Hamantaschen für Purim gelingen sehr gut vegan.

Die koschere Küche hat bereits einige Einschränkungen. Wenn man auch noch die veganen Richtlinien hinzunimmt, kann man sich dann überhaupt noch gut ernähren?

Ja, natürlich. Wie gesagt, die Einschränkungen bei veganer Ernährung betreffen nicht primär das, WAS man isst, also keine Tierkörper oder deren Produkte, denn G‘tt hat den Menschen Nahrung aus der Pflanze zu essen gegeben; es geht primär darum, auf welchem Weg ein Gericht zu uns auf den Teller kommt. Eine vegane Ernährung ist eine gute, koschere und gesunde Ernährung. Wer BEdenken hat mit Blick auf vegane UND ausgewogene Ernährung, dem/der empfehle ich die Dokumentation "The Game Changers", die es bspw. auf Netflix gibt; oder aber die Doku "What the Health", ebenfalls auf Netflix zu finden.

Darf man ein koscheres Restaurant am Schabbat und an jüdischen Feiertagen öffnen?

Laut der Thora ist der Schabbat unser Ruhetag und Juden dürfen an diesem Tag viele Tätigkeiten nicht verrichten, etwa Kochen, Autofahren oder Telefonieren. Für Nichtjuden gelten die Schabbat-Regeln nicht. Daraus ergibt sich für unser Deli und viele andere jüdische Restaurants die Regelung, dass am Schabbat und an jüdischen Feiertagen, wenn laut der Halacha – dem jüdischen Gesetz – das Arbeitsverbot gilt, der Gewinn einem nichtjüdischen Partner gehört. Dafür erhält der jüdische Partner den Gewinn an einem anderen Wochentag. An den Zutaten wird am Schabbat nichts geändert und alles bleibt koscher wie unter der Woche. Am Schabbat werden auch keine Vor- und Zubereitungen für die Woche unternommen. Auch das Geschirr wird vor Schabbat gewechselt. Somit ist das Restaurant koscher und kann für das allgemeine Publikum auch am Schabbat offenbleiben.

Hast Du noch weitere Lesetipps? Und empfehlenswerte Kochbücher?

Das Buch “ Before the Blind”, das von der Website von Rabbiner Asa Keisar heruntergeladen werden kann und vegane Kochblogs nennt, kann ich sehr empfehlen. Darin belegt er, dass der Verzehr von Fleisch und das damit einhergehende Leid in der modernen Lebensmittelindustrie nicht mit den jüdischen Quellen vereinbar ist. Auf der Website findet Ihr zudem Infos zum Vegan-Kosher-Label: https://asakeisar.com/en

Weitere vegane Rezepte, die ich sehr empfehlen kann, findet Ihr im Buch "Beyond Chopped Liver: 59 Jewish Recipes Get a Vegan Health Makeover" (Jewish Food Hero Collection) und auf der Website von Jamie Geller.

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