31. Januar 2025: Beinahe auf den Tag genau 92 Jahre nach der Machtübernahme der NSDAP im deutschen Reichstag sind wir Zeitzeug:innen einer Entwicklung, die wir aus der deutschen Geschichte kennen. Unser Statement zu den Ereignissen im Bundestag in dieser Woche.
Die andauernde Hetze gegen Migrantinnen, Migranten und migrantisierte Menschen hat zu einer Erosion demokratischer Grundwerte und Überzeugungen geführt. Dies zeigen sowohl politische wie soziologische Umfragen und Studien (zuletzt die Leipziger Autoritarismus Studie 2024 oder der Deutschland-Monitor des Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland) als auch die permanente Grenzverschiebung des Sag- und Denkbaren in öffentlichem Diskurs und politischem Handeln.
Die Geschichte der letzten Januartage des Jahres 1933 lehrt uns, wie die demokratische Legitimierung einer völkischen Bewegung und ihrer Partei vonstattengeht. Die darauffolgenden Jahre zeigen, welche Gewalt demokratiefeindliches und rassistisches Denken entfalten kann – gegenüber Jüdinnen, Juden und allen als 'anders' oder 'volksfremd' wahrgenommenen Menschen.
Schauen wir also genau hin, was damals und was heute geschieht:
15. Januar 1933: Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) erhält bei den Reichstagswahlen die meisten Stimmen, kann aber nicht alleine regieren. Bereits im Vorfeld der Wahlen beauftragt Reichspräsident Paul von Hindenburg den im November zurückgetretenen Reichskanzler von Papen mit Sondierungsgesprächen für eine Regierung von NSDAP und Deutschnationaler Volkspartei (DNVP). Beide Parteien haben in den Jahren zuvor schon gemeinsam politische Beschlüsse im Reichstag durchgesetzt - etwa gegen die Reparationszahlungen.
Mittwoch, 29. Januar 2025: Der deutsche Bundestag lädt den ukrainischen Holocaust-Überlebenden Roman Schwarzman zu einer Gedenkstunde anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz ein. Unmittelbar nach Ende des Gedenkens findet eine Debatte über Maßnahmen zur Verschärfung der Migrationspolitik statt. Die Debatte mündet in einem Beschluss mit appelativem Charakter: Erstmals seit Gründung der Bundesrepublik kommt eine parlamentarische Mehrheit ausschließlich mit Unterstützung einer vom Verfassungsschutz beobachteten, in weiten Teilen rechtsextremen Partei zustande.
30. Januar 1933: Adolf Hitler wird durch Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Am selben Abend marschieren reichsweit SA und SS auf, Demonstrationen der KPD und linkssozialistischer Organisation werden von der Polizei gewaltsam aufgelöst.
In Frankfurt stürmen SA-Männer die Städtischen Bühnen und hissen auf dem Dach des Opernhauses die Hakenkreuzfahne. Generalmusikdirektor Hans-Wilhelm Steinberg (1899-1978) dirigiert an dem Abend zum letzten Mal. Im März wird er beurlaubt, im Mai entlassen. 1936 emigriert er über die Schweiz im die USA. Steinberg war Jude.
Freitag, 31. Januar 2025: Im Bundestag wird über das sogenannte „Zustrombegrenzungsgesetz“ abgestimmt. Der Name ist Programm: geflüchtete Menschen, die in Deutschland entsprechend Artikel 16 unseres Grundgesetzes Asyl suchen, werden als anonymisierte Menschenströme betrachtet, die – gleich einer Naturkatastrophe – das Land bedrohen. Sollten Bundestag und Bundesrat mehrheitlich dem Gesetzentwurf zustimmen, muss er von der Bundesregierung umgesetzt werden.
Euch beunruhigen die Parallelen zwischen Geschichte und Gegenwart ebenso wie uns? Ihr könnt etwas tun! Schreibt Euren Bundestagsabgeordneten, haltet dagegen, wenn Ihr menschenfeindliche Äußerungen hört, steht auf gegen Rassismus, Antisemitismus und anderen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oder geht demonstrieren - engagiert Euch, jetzt! #WirSindDieBrandmauer
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