Die in Frankfurt beschlossenen Statuten der "Zionistischen Vereinigung für Deutschland"

125 Jahre Gründung der Zionistischen Vereinigung für Deutschland

Am 31. Oktober 1897 in Frankfurt am Main
Porträt von Franziska Krah
31. Oktober 2022Franziska Krah

Heute vor 125 Jahren wurde die Zionistische Vereinigung für Deutschland (ZVfD) in Frankfurt am Main gegründet. Damit wurde zugleich der deutsche Landesverband der Zionistischen Weltorganisation (WZO) ins Leben gerufen.

Ende August dieses Jahres feierte die noch heute bestehende WZO gemeinsam mit Israels Präsident Itzchak Herzog 125 Jahre Zionistenkongress am Originalschauplatz im Stadtcasino Basel. Vom 29. bis 31. August 1897 versammelten sich dort rund 200 Delegierte aus zahlreichen Ländern der Welt, um gemeinsam mit dem Initiator Theodor Herzl eine neue politische Bewegung zu begründen – die Geburtsstunde der WZO. Herzl wurde zum Präsidenten gewählt und das grundlegende Ziel – die Schaffung einer jüdischen Heimstätte – als „Basler Programm“ verabschiedet.

Geburtsstunde der WZO und der ZVfD

Der Zionist David Wolffsohn
David Wolffsohn reiste am 31. Oktober 1897 nach Frankfurt am Main und einigte sich dort gemeinsam mit anderen deutschen Zionisten auf die Gründung des deutschen Landesverbands der Zionistischen Weltorganisation.

Während die Delegierten im Stadtcasino Geschichte schrieben, blieben viele deutsche Zionisten fern. Sie hatten sich kurz vor Kongressbeginn in Basel getroffen, um einen deutschen Landesverband zu gründen, waren aber aufgrund ideologischer und organisatorischer Meinungsverschiedenheiten zerstritten auseinandergegangen. Als der Zionistenkongress sich schließlich als großer Erfolg entpuppte, waren sie wieder motiviert, sich zusammenzufinden – und zwar in Frankfurt am Main.

In der Mainmetropole konnten sich die deutschen Zionisten schließlich aussöhnen. Sie benannten die 1894 von David Wolffsohn aus Köln und anderen begründete „National-Jüdische Vereinigung“ in „Zionistische Vereinigung für Deutschland“ um und einigten sich auf die zentralen Vereins-Statuten. Deren §1 besagt: „Die Zionistische Vereinigung für Deutschland hat den Zweck, die zionistische Idee im Sinne des Baseler Programms unter den in Deutschland lebenden Juden zu verbreiten.“

Die in Frankfurt beschlossenen Statuten der "Zionistischen Vereinigung für Deutschland"
Die in Frankfurt beschlossenen Statuten der „Zionistischen Vereinigung für Deutschland“ sind in den Dokumenten zur Geschichte des deutschen Zionismus, 1981 herausgegeben von Jehuda Reinharz, abgedruckt.

Die ZVfD war dabei nur eine politische Bewegung neben zahlreichen anderen jüdischen Vereinigungen in Europa, die etwa zeitgleich ins Leben gerufen wurden. Nur vier Jahre zuvor wurde etwa der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens gegründet, der die liberale und nichtzionistische Mehrheit als größte jüdische Vereinigung im Deutschen Reich vertrat. Der Zionismus als politische Bewegung entstand also im Rahmen einer allgemeinen Politisierung der jüdischen (und nichtjüdischen) Bevölkerung. Trotz der Differenzen war allen gemein, dass es letztlich der politische Antisemitismus war, auf den sie mit ihrem Zusammenschluss reagierten. Setzte sich der Centralverein ganz explizit den sogenannten Abwehrkampf gegen den Antisemitismus zum Ziel, so war es der Antisemitismus, in dessen Reaktion Herzl und seine Mitstreiter*innen die zionistische Bewegung ins Leben rief.

Frankfurter Ortsverband

Porträt des Frankfurter Zionisten Jakob Goitein
Dieses Porträt des Frankfurter Zionisten Jakob Goitein nahm seine Tochter Sitta Goitein, verheiratete Millner, bei ihrer Auswanderung nach Palästina mit.

Im selben Jahr wie die WZO und die ZVfD wurde auch der Frankfurter Ortsverband der Zionisten begründet. In Frankfurt war der Zionismus in seinen Anfängen zunächst eine unbedeutende Vereinigung von mehrheitlich aus osteuropäischen Ländern stammenden Juden. Unter ihnen war der aus Ungarn migrierte Weinhändler Jakob L. Goitin. Er galt als der Zionist in Frankfurt und trat mit großem Engagement für konservativ-religiöse und zionistische Interessen ein. Seine Tochter Sitta Goitin gehörte – der zionistischen Familientradition folgend – der Frankfurter Zionistischen Jugendgruppe an und hatte 1906 bei der Chanukkafeier der Frankfurter Zionistischen Vereinigung ihren ersten großen Auftritt, als sie als 16-Jährige einen hebräischen Text von Chaim Nachman Bialik rezitieren durfte. Später trat sie noch verschiedentlich musikalisch in Erscheinung.

Auch die aus Russland stammende Familie Goldmann war sehr aktiv. Salomon Hirsch Goldmann, hebräischer Sprachlehrer und einer der ersten Zionisten Frankfurts, sorgte als Herausgeber des Frankfurter Israelitischen Familienblatts dafür, dass über die Ortsgruppe berichtet wurde. Das Blatt ist eine der wenigen Quellen, die heute Aufschluss über den Zionismus in Frankfurt geben. Sein Sohn Nahum Goldmann besuchte die Frankfurter Musterschule und wurde später als Präsident des Jüdischen Weltkongresses zur zentralen Führungsfigur der zionistischen Bewegung.

Verpönter Zionismus

Paul Arnsberg spricht zum israelischen Unabhängigkeitstag in Frankfurt am Main um 1960
Paul Arnsberg spricht zum israelischen Unabhängigkeitstag in Frankfurt am Main um 1960

Für Familien aus dem alteingesessenen Frankfurter Bürgertum war der Zionismus lange Zeit verpönt. Das änderte sich in den 1920er Jahren. Hier trat unter anderem der junge Paul Arnsberg besonders aktiv in Erscheinung – und zwar im Sinne des revisionistischen Zionismus, dem radikal nationalistischen Flügel der Bewegung, wie er sich später erinnerte. Doch hatte es die Bewegung schon von Anfang an immer wieder geschafft, Veranstaltungen mit rund 600 Teilnehmenden umzusetzen. Ob das wohl auch an der Bedeutung lag, die Frankfurt am Main für die deutsche zionistische Bewegung in ihren Anfängen hatte? 

Das Original-Manuskript der ZVfD-Statuten von 1897 wird übrigens heute nicht in Frankfurt, sondern in den Zionistischen Zentralarchiven (CZA) in Jerusalem aufbewahrt.

Franziska Krah

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