Blick auf die Gedenkstätte Neuer Börneplatz in Frankfurt am Main

80 Jahre Befreiung von Auschwitz

Schulklassenangebote am Jüdischen Museum Frankfurt
Porträt Sophie Schmidt. Foto: Helmut Fricke, © Fritz Bauer Institut
19. November 2024Sophie Schmidt

Das Jüdische Museum Frankfurt bietet in den Wochen um den 27. Januar für Schulklassen an, sich vertiefend mit der Schoa, dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz zu beschäftigen und über deren Bedeutung für heute nachzudenken.

Vor bald 80 Jahren, am 27. Januar 1945, erreichten sowjetische Truppen das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. 10 Tage vorher hatte die SS für 56.000 Häftlinge eine „Evakuierung“ angeordnet. Es waren erzwungene Märsche großer bewachter Gefangenenkolonnen gen Westen in Gebiete, die noch unter Kontrolle der Deutschen standen. Ziel war es, die in die Frontlinie geratenen Konzentrationslager zu räumen.

Die Häftlinge prägten dafür den Begriff Todesmärsche. Sie dauerten bis zu einem Monat und waren über 100 Kilometer lang. Die Strapazen, der Hunger und die brutale Misshandlung durch SS Wachen führten dazu, dass viele Häftlinge zurückblieben und erschossen wurden. Insgesamt waren es Tausende, die auf Todesmärschen von der SS ermordet wurden.

Die sowjetischen Truppen befreiten am 27. Januar im größten Vernichtungszentrum der Nationalsozialisten noch 9.000 verbliebene kranke, entkräftete und als Pflegepersonal eingesetzte Häftlinge. Trotz medizinischer Versorgung starben noch Hunderte von ihnen in den folgenden Wochen.

Auschwitz - Symbol für die nationalsozialistische Vernichtungspolitik

Torhaus in Auschwitz-Birkenau
Torhaus in Auschwitz-Birkenau. Foto: Diego Delso CC BY-SA 3.0

Heute ist das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz das Symbol für die nationalsozialistische Vernichtungspolitik: Es wurde im April 1940 in der Nähe von Krakau errichtet und umfasste drei selbständige Lagerbereiche: Auschwitz I (Stammlager), Auschwitz II (Birkenau) und Auschwitz III (Buna/Monowitz und Nebenlager).

1,1 bis 1,6 Millionen Menschen, 90 Prozent davon als Juden Verfolgte wurden hier ermordet. Die Menschen kamen hauptsächlich aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Jugoslawien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Polen, Rumänien, Sowjetunion, Tschechoslowakei und Ungarn. Die vielen Länder zeigen das Ausmaß der deutschen Vernichtungspolitik.

Die genaue Zahl der Ermordeten ist nicht festzustellen, da die Täter die Spuren systematisch verwischten: Ab Sommer 1944 verbrannten sie die Transportlisten der deportierten Jüdinnen*Juden und viele Ankommende wurde sofort nach Ankunft selektiert und ohne vorherige Registrierung in den Gaskammern ermordet. Das Zyklon B, das Gas mit dem die Menschen ermordet wurden, war ein Produkt einer Beteiligungsgesellschaft der in Frankfurt/Main ansässigen I.G. Farben.

Holocaust-Gedenktag

Blick auf die Gedenkstätte Neuer Börneplatz in Frankfurt am Main mit Steinkubus aus Überresten der Frankfurter Judengasse und Platanenhain
Die Gedenkstätte Börneplatz in Frankfurt erinnert an die jüdischen Opfer der NS-Vernichtungspolitik in unserer Stadt.

Am Holocaust-Gedenktag denken wir an alle Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden: Jüdinnen*Juden; Sinti*zze und Rom*nja; BPoC; queere Menschen; politische Gegner*innen; Zeugen Jehovas; Menschen aus Osteuropa; Menschen, denen eine kriminelle, Veranlagung unterstellt wurde; kranke Menschen; Menschen mit Einschränkungen; Menschen, die in armen Verhältnissen lebten oder öffentliche Fürsorge in Anspruch nahmen; Obdachlose; Alkoholkranke und sozial unangepasste Menschen.

Der 27. Januar ist die Gelegenheit, um sich mit den völkischen, antisemitischen, rassistischen, menschenfeindlichen Ideen der Nationalsozialist*innen auseinanderzusetzen und sich bewusst zu machen, wie weitreichend die Vernichtungspolitik war: Millionen von Menschen fielen diesen Ideen in ganz Europa zum Opfer.

Heute sind völkische, antisemitische, rassistische Einstellungen und darauf aufbauende Vorstellungen, wer dazugehören soll und wer nicht, wieder populärer denn je. Zunehmend werden demokratische Strukturen diskreditiert und autoritäre gefordert.

Der 27. Januar ist daher auch die Gelegenheit, um gemeinsam in der Schule inne zu halten, sich rückschauend die Geschichte genau anzusehen und darüber nachzudenken, wie auf Basis der Menschenrechte, der grundlegenden Gleichheit aller Menschen und des gleichen Rechts aller Menschen auf Freiheit das Zusammenleben gestaltet werden soll. Das bietet die Basis, um im Klassenzimmer, im Lehrer*innenzimmer und überall dort, wo es nötig ist, argumentationsstark geschichtsverfälschende Behauptungen zu entlarven und für eine demokratische Gesellschaft einzutreten.

Angebote des Jüdischen Museums

Screenshot des digitalen Shoah Memorial Frankfurt
Im digitalen Shoah Memorial Frankfurt können Nutzer:innen eigenständig die Biographien von als jüdische verfolgten Menschen aus Frankfurt recherchieren.

Das Jüdische Museum Frankfurt bietet in den Wochen um den 27. Januar für Schulklassen an, sich vertiefend mit der Schoa, dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz zu beschäftigen und über deren Bedeutung für heute nachzudenken.

In der Führung mit Einführung an der Erinnerungsstätte Großmarkthalle geht es um die Deportationen, bei denen als Juden verfolgte Frankfurter*innen u.a. nach Auschwitz verschleppt wurden. Anhand einzelner Lebensgeschichten erhalten die Schüler*innen einen Einblick darin, wie das Leben vor der NS-Zeit in Frankfurt aussah, wie die Verfolgung sukzessive immer stärker wurde und schließlich für die meisten Frankfurter Juden und Jüdinnen, denen die Flucht nicht gelungen war, in Auschwitz und an anderen Deportationsorten endete.

Otto Frank, der Vater von Anne Frank, steht im Mittelpunkt des Workshops „`Viele Grüße von Eurer Anne´ - Die Briefe der Familie Frank“. Er wurde am 27. Januar 1945 in Auschwitz befreit. Die Briefe, die er nach seiner Befreiung an seine Familie schrieb, ermöglichen einen Einblick in die Lebensumstände der wenigen Überlebenden: Er hatte überlebt, war von der Roten Armee befreit, aber seine Familie war ermordet worden. Otto Frank setzte in den folgenden Jahren mit dem bald weltberühmten Tagebuch seiner Tochter alles daran, eine humanistische Botschaft in die Welt zu bringen.

In dem Workshop „Lebensgeschichten recherchieren – das Shoah Memorial Frankfurt“ können Schüler*innen mit der gleichnamigen Datenbank eigenständig die Biographien von als Juden verfolgten Frankfurter*innen recherchieren. Die Website ermöglicht es, gezielt Lebenswege von Menschen nachzuvollziehen, die nach Auschwitz verschleppt wurden. Um den 27. Januar werden wir uns darüber hinaus mit der Frage beschäftigen, was es eigentlich hieß, „in Auschwitz ermordet zu werden.“

Weitere Informationen zu diesen und vielen weiteren Angeboten für Schulklassen finden Sie auf dieser Seite.

Sophie Schmidt

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