In diesem Beitrag erläutert Wassili Brassat aus unserem Vermittlungsteam den Peer Education-Ansatz zweier pädagogischer Outreach-Programme des Jüdischen Museums.
Mit dem kulturellen Bildungsprogramm “AntiAnti – Museum Goes School” haben wir ein nachhaltiges pädagogisches Programm zur antisemitismus- und rassismuskritischen Bildung als außerschulisches Angebot für berufsbildende Schulen etabliert. Mit dem transkulturellen Theaterworkshop „Wahrheiten und Narrheiten“ bieten wir ein kreatives und nachhaltiges Angebot für Kinder in Grundschulen. Die besondere Lernwirksamkeit der beiden Programme basiert vornehmlich auf der Intensität und der Dauer der thematischen Auseinandersetzungen sowie den je spezifischen didaktischen Zugängen. Dabei entwickeln sich kontinuierliche Lernarrangements im Rahmen tragfähiger Vertrauensverhältnisse. Die wissenschaftliche Evaluation hebt die langfristige Wirksamkeit beider Konzepte hervor. Dies hat uns ermutigt, unsere Out-Reach-Programme um einen Peer Education-Ansatz zu erweitern.
Peer Education und Selbstwirksamkeit
Unser Peer Education Konzept basiert auf den pädagogischen Grundsätzen der Selbstwirksamkeit und zielt auf die selbstständige Aneignung von Lerninhalten und Arbeitsmethoden. Diesen Prämissen folgend laden wir Schüler*innen nun ein, eine museale Kurz-Ausbildung zum Peer-Guide zu absolvieren. Hierzu erhalten sie eine spezielle Einarbeitung und Unterstützung für die Entwicklung und Umsetzung eines Führungsnarratives. Es ist uns wichtig, dass die Jugendlichen ihren ganz eigenen Wahrnehmungen und Eindrücken Ausdruck verleihen können. Die Schüler*innen wählen Themen, die sie persönlich bewegen oder mit denen sie sich selbst persönlich in Beziehung setzen können, und entwickeln hierzu ein individuelles Führungskonzept. Das selbstentwickelte Führungsnarrativ fokussiert die Perspektive der Jugendlichen und begleitet andere Schulklassen entlang ausgewählter Exponate und Erzählungen.
Bisherige Erfahrungen
Seit Herbst 2021 setzen wir den Peer Education Ansatz in den beiden Bildungsprogrammen erfolgreich um. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass dieses Konzept in mehrfacher Hinsicht gewinnbringend ist: Sowohl für die Guides als auch für die jeweilige Zielgruppe.
Auffallend ist die Entfaltung eines außerordentlichen Engagements der Peer-Guides. Sie arbeiten sich selbstständig in die Thematik ein und wachsen dabei über sich selbst hinaus! Bereits nach kurzer Zeit eignen sie sich umfangreiches Wissen über die Geschichte und Gegenwart Jüdischen Lebens an. Sie übernehmen Verantwortung und machen Abschläge von ihrer Freizeit. Dafür werden sie mit Anerkennung und Respekt durch ihre Mitschüler*innen, durch das Museumsteam und den Lehrkräften belohnt. Außerdem erhalten sie Gutscheine als Aufwandsentschädigung. Das vermittelte Wissen beschränkt sich keinesfalls nur auf die Einarbeitung in die jeweiligen Themenbereiche, sondern umfasst auch die Aneignung gängiger Vermittlungsmethoden, wie beispielsweise dialogischer Führungen oder altersgerechter Erzählstile. Beiläufig erwerben sie also elementare Schlüsselkompetenzen und erleben Selbstwirksamkeit. Diese Erfahrungsräume eröffnen den Lernenden neue Horizonte, zu welchen sie bisher keine oder nur selten Zugänge hatten.
Ebenso positives Feedback erhalten wir von Lerngruppen, die unser Vermittlungsangebot für Gleichaltrige begleitet haben. Ein Beispiel, das bei der Nachbereitung immer wieder als Stärke genannt wurde, ist die „gemeinsame Sprache“ der Peers. Es zeichnet sich ab, dass die Peer-Guides einen Zugang zu den Lerngruppen und Themen schaffen, der viele Schüler*innen begeistert und ermutigt, ein eigenes Narrativ zu entwickeln. Dabei entdecken sie neue Themen und gegebenenfalls sogar eine neue Arbeitswelt für sich: Bereits in zwei Fällen organisieren wir aktuell die Ausbildung zweier Peer-Guides zu vollwertigen Guides des Jüdischen Museums.
Aktueller Stand
Nachdem das Projekt im Winter 2021 startete, können wir heute bereits acht ausgebildete Guides aus dem Programm „AntiAnti – Museum Goes School“ vorweisen und vier Guides (Grundschulkinder) aus dem interkulturellen Schattentheater „Wahrheiten und Narrheiten“. Bis heute können wir acht Führungstermine vorweisen, an denen mehrere Guides den Lerngruppen ihr Konzept vermittelt haben. Besonders eng arbeiten wir dabei aktuell mit der Phillip-Holzmann-Schule, der Nachmittagsbetreuung des Internationalen Bundes und dem Internationalen Kinderhaus Evangelischer Verein für Jugendsozialarbeit in Frankfurt am Main e.V. zusammen. Auch unsere Bürgermeisterin Dr. Nargess Eskandari-Grünberg besuchte das Jüdische Museum Frankfurt um sich von unseren Peer-Guides durch das Haus führen zu lassen (Pressebericht). Selbstverständlich bilden wir weiterhin Peer-Guides aus. Unser Angebot erfährt große Nachfrage, über Ihr Interesse würden wir uns freuen!
Kontakt: Wassili Brassat
wassili.brassat@stadt-frankfurt.de
Peer-Guide-Projektkoordinator
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