Visualisierung des neuen Museumskomplexes des Jüdischen Museums Frankfurt mit Rothschildpalais und Erweiterungsbau

Das neue Jüdische Museum Frankfurt

Eine Vision nimmt Gestalt an

Als erstes kommunales Jüdisches Museum der Bundesrepublik Deutschland widmen wir uns seit 1988 dem Sammeln und Vermitteln jüdischer Kulturgüter mit besonderem Bezug auf die Geschichte der Stadt Frankfurt. Mit der Wiedereröffnung des Museum Judengasse 2016 haben wir einen grundlegenden Erneuerungsprozess begonnen.

Das Jüdische Museum Frankfurt befindet sich an zwei Standorten, die beide von herausragender Bedeutung für die jüdische Stadtgeschichte sind. Es umfasst das Museum Judengasse mit dem benachbarten Börneplatz und dem Alten Jüdischen Friedhof Battonstraße sowie das Jüdische Museum am Berta-Pappenheim-Platz 1, einem Gebäideensemble aus historischem Rothschild-Palais und zeitgenössischem Lichtbau von Staab Architekten. An beiden Standorten erzählen wir in unseren permanenten Ausstellungen die mehr als 800-jährige Geschichte eines der bedeutendsten Zentren jüdischen Lebens in Europa.

Unser Erneuerungsprozess

Ariel Schlesingers Skulptur"Untitled", 2019, bestehend aus zwei in Aluminium gegossenen Bäumen
Ariel Schlesingers Skulptur"Untitled", 2019, Aluminium, gegossen, ein Geschenk von Familie Rothschild und Prof. Dr. Klaus Mangold. Foto: Norbert Miguletz

Im Februar 2012 fassten die Stadtverordneten Frankfurts einen Grundsatzbeschluss zur Sanierung und Erneuerung des Jüdischen Museums. Im Sommer 2015 stimmte der Magistrat den Plänen des Museums für ein neuartiges Zentrum jüdischer Geschichte und Kultur zu. Am 21. Oktober 2020 wird das neue Jüdische Museum wieder eröffnet.

Dem in seiner historischen Struktur wieder hergerichteten und sanierten Rothschild-Palais steht nunmehr ein zweites Gebäude zu Seite: der Lichtbau von staab Architekten. Zwischen den beiden Häusern öffnet sich der Bertha-Pappenheim-Platz, für den der Künstler Ariel Schlesinger eine Skulptur von prägender Gestalt geschaffen hat.

Der Lichtbau umfasst einen großzügigen Eingangsbereich mit zwei Foyers, einem Veranstaltungsraum, einem Shop, der von der Jüdischen Literaturhandlung betrieben wird, sowie das milchig koschere Flow-Deli. Im Untergeschoss befinden sich großzügige Ausstellungsräumlichkeiten, im lichtdurfluteten ersten Stock eine ganz in Holz gekleidete Bibliothek, die sich insbesondere an Kinder, Jugendliche und Familien richtet und in der auch die Archivalien des Museums, insbesondere die Dokumente des Familie Frank Zentrums eingesehen werden können.

Mit der Wiedereröffnung des Ensembles rund um die vormalige Judengasse und der Neueröffnung des Museumskomplexes am Bertha-Pappenheim-Platz 1 entsteht ein einzigartiges Zentrum für jüdische Kultur in Geschichte und Gegenwart, das die Vielfalt jüdischen Lebens auf visuelle, emotionale und kognitive Art erfahrbar macht.

Die beiden neuen Dauerausstellungen

Der erste Teil der permanenten Ausstellung ist im Museum Judengasse zu sehen. Rituelle Objekte, Schriften und Alltagsgegenstände aus der Frühen Neuzeit, Kinder- und Audiostationen und die steinernen Fundamente von fünf Häusern der früheren Judengasse geben einen lebendigen Einblick in das Leben im ersten jüdischen Ghetto Europas. Die grundlegend neu gestaltete Ausstellung am zweiten Standort des Jüdischen Museums wurde im März 2016 wiedereröffnet und noch im selben Jahr mit dem Museumspreis der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen ausgezeichnet.

Der zweite Teil der Dauerausstellung befindet sich im sanierten Rothschild-Palais. Über drei Etagen und auf 1.400 Quadratmetern wird hier die Geschichte jüdischen Lebens im modernen Frankfurt von der Emanzipation um 1800 bis zur Gegenwart erzählt. Die Ausstellung nimmt thematische Schwerpunktsetzungen vor und geht insbesondere auf die Vielfalt jüdischer Traditionen sowie den familiären Alltag ein. Sie setzt auf eine ästhetische Mixed Media Präsentation mit Alltagsgegenständen, Ritualobjekten, Fotos, Gemälden und zeitgenössischen Kunst auf der einen, und Medieninstallationen, digitalen Anwendungen und Hands On-Stationen auf der anderen Seite. Von herausragender Bedeutung sind dabei die Kunstwerke von Moritz Daniel Oppenheim, Henri Matisse und Ludwig Meidner, zeremonielle Gegenstände aus der Werkstatt von Felix Horovitz und von den zeitgenössischen Künstler*innen Tobi Kahn und Rachel Kanter. Hinzu kommen raumbildende Medieninstallation zur Lebenswelt der Familie Rothschild und Alltagsgegenstände aus dem Besitz der Familie von Anne Frank. Ein besonderes Geschenk, das "Museum-to-Go", ermöglicht es den Besucher*innen einzelne Aspekte der Ausstellung digital einzusammeln und mit nach Hause zu nehmen.

Mehr Raum für Familien und sinnliche Erfahrungen

Kinder im Museum Judengasse spielen an einer der Kinderstationen
Interaktive Kinderstation im Museum Judengasse

Unsere beiden Dauerausstellungen laden Kinder zu besonderen Erkundungen ein. Sie finden hier eigens für sie gestaltete interaktive Hands On-Stationen, Hörspiele und -touren sowie ein Mitmachheft. Auch unsere neue Bibliothek macht Kindern, Jugendlichen und Familien ein besonderes Angebot. Sie bietet nicht nur Literatur zu unseren Themen an und hält auch Nichtbuchmedien bereit. In dem lichtdurchfluteten Raum finden auch Lesungen und Workshops für kleine und große Leser*innen und Neugierige statt. Unser Kinderprogramm regt monatlich zu kreativen Ausflügen ein – etwa in die Welt des Geschmacks beim Backen in unserer Kinderwerkstatt.

Sinnliche Erfahrungsmöglichkeiten spielen in unserem neuen Museum eine bedeutende Rolle. Wir laden regelmäßig zum Dinieren von Speisen ein, die nach familiären Rezepten gekocht wurden und ermöglichen in unserem milchig-koscheren Deli, Gerichte kennen zu lernen, die nach den jüdischen Speisegesetzen zubereitet wurden. Unser neues Gebäude eröffnet einen ästhetischen Zugang zu einem zentralen Moment der jüdischen Zeremonialkultur: dem Licht. Unsere Konzerte sowie die Hörstationen in unserer Dauerausstellung entführen in die Welt der jüdischen Musik.

Museum ohne Mauern

Das Pop-Up-Monument des Jüdischen Museums am Willy-Brandt-Platz Frankfurt, 2017
Das Pop-Up-Monument des Jüdischen Museums am Willy-Brandt-Platz Frankfurt, 2017

In den vergangenen Jahren waren wir mehrfach mit temporären Plattformen im Frankfurter Stadtraum präsent. Beim Pop Up Boat und dem Pop Up Monument wählten wir einen partizipativen Zugang zu den Themen und Fragen des neuen Jüdischen Museums. Im Herbst 2018 luden wir beim Open House dazu ein, am Werden des neuen Jüdischen Museums vor Ort teilzuhaben. Im Sommer 2020 lädt der Bus der Zukunft an verschiedenen Plätzen im Frankfurter Stadtraum dazu ein, mit uns über die Frage zu sprechen, wie wir zusammen leben wollen.

Unsere temporären Plattformen veranschaulichen, wie wir uns verstehen: als ein Museum im Wandel, das transparent und offen auf seine Besucher*innen zugehen und Barrieren abbauen will. Wir verbinden mit dieser Haltung in Zeiten zunehmender verbaler und handgreiflicher Gewalt auch eine Mission: wir betrachten es als unsere Aufgabe, die interkulturelle Verständigung zu stärken, jüdische Geschichte in der Gegenwart erfahrbar zu machen und weithin zur Selbstreflexion anzuregen.

Als ein Museum ohne Mauern haben wir unsere digitalen Aktivitäten systematisch ausgebaut und laden zum Beispiel mit der App "Unsichtbare Orte" dazu ein, Orte der Migration im Frankfurter Stadtraum kennen zu lernen.

Unsere App "Unsichtbare Orte"

Mit der App "Unsichtbare Orte" gehen Nutzer*innen auf Spurensuche in Frankfurt. Überall im Stadtraum gibt es Orte zu entdecken, die von der Migration nach Frankfurt erzählen. Die App macht diese Orte erfahrbar. Im Mittelpunkt stehen dabei die Erzählungen von Migrant*innen in Frankfurt.

Eine Kooperation mit dem Historischen Museum Frankfurt

Ansicht der der App "Unsichtbare Orte"

Unsere vielfältigen Bildungsangebote eröffnen diversen Besucher*innen inklusive und persönliche Zugänge zur jüdischen Kultur. Sie finden größtenteils in unserem Museum, insbesondere in dem eigens dafür geschaffenen Studio Alef statt. Unsere Outreach-Programme hingegen wenden sich an Jugendliche, die gemeinhin nicht in unser Museum kommen würden und machen primärpräventive, diversitätssensible Bildungsarbeit an anderen Orten.

Vernetztes Handeln

Mit unseren Bildungsangeboten, unseren vielfältigen Kooperationen und unseren digitalen Aktivitäten möchten wir unsere Vision eines offenen, transparenten und vernetzten Museums Realität werden lassen. Wir sind davon überzeugt, dass vernetztes Handeln im digitalen wie im sozialen Raum eine respektvolle Form des Zusammenlebens und damit das Fortbestehen aufgeklärter, demokratischer und pluraler Gesellschaften in Europa ermöglichen kann und wird.