Die Dauerausstellung „Wir sind jetzt. Jüdisches Frankfurt von der Emanzipation bis zur Gegenwart“ des Jüdischen Museums befindet sich im denkmalgeschützten Rothschild-Palais. Auf rund 1.500 Quadratmetern erzählt die Ausstellung die Geschichte jüdischen Lebens von der Aufklärung und Emanzipation bis zur Gegenwart in Frankfurt. Sie führt damit die Präsentation im Museum Judengasse fort, die sich auf die Frühe Neuzeit konzentriert.
Die thematisch strukturierte Ausstellung schildert, wie Jüdinnen und Juden die kulturelle, wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Stadt prägten und thematisiert die jüdische Erfahrung von Exil, Gewalt und Gegenwehr in einer europäischen Dimension. Sie verfolgt einen persönlichen wie narrativen Ansatz und betont die Pluralität jüdischer Lebensentwürfe.
Die Ausstellung beginnt mit der jüdischen Gegenwart und nimmt während des Rundgangs mehrfach Bezug auf aktuelle Themen. Dabei spielen insbesondere Fragen des Zusammenlebens, des Umgangs mit Traditionen und das familiäre Gedächtnis eine zentrale Rolle.
Drei Etagen, drei Perspektiven
Die Ausstellung im Rothschild-Palais erstreckt sich über drei Etagen, die jeweils unterschiedliche Perspektiven auf die jüdische Geschichte und Kultur Frankfurts der letzten 200 Jahre werfen. Fokussiert werden dabei zentrale geschichtliche Ereignisse und Konflikte, religiöse Fragestellungen sowie die Geschichte und Erfahrungen einzelner jüdischer Familien.
Dritte Etage: Geschichte und Gegenwart
Der erste Raum thematisiert die jüdische Nachkriegsgeschichte und die gegenwärtige Situation. Neben dem religiösen Leben ist in der Stadt eine jüdische Alltagskultur entstanden, die von Konflikten wie auch einer Vielfalt an Lebensentwürfen geprägt ist. Im zweiten Raum setzt die Ausstellungserzählung neu an und zeigt auf, wie Jüdinnen und Juden nach der Aufhebung der Ghettoisierung das kulturelle Leben, das Bildungs- und Gesundheitswesen, die sozialen und politischen Veränderungen wie auch die wissenschaftliche Forschung in Frankfurt prägen. Die letzten beiden Räume reflektieren das Ende dieser Epoche in den Jahren 1933-45 anhand ausgewählter Biografien.
Zweite Etage: Tradition und Ritual
Die zweite Etage widmet sich der Transformation der jüdischen Tradition in eine moderne Religion mit verschiedenen Strömungen. Im Zentrum der Etage steht die Pracht der jüdischen Zeremonialkultur und deren Rückbezüge auf den zerstörten Jerusalemer Tempel. Neben einer interaktiven Fünf-Kanal-Videoinstallation, in der fünf amtierende Rabbiner und eine Rabbinerin Fragen beantworten, werden die Besucherinnen und Besucher mit der Frage konfrontiert, was ihnen heilig ist.
Erste Etage: Familie und Alltag
Das erste Obergeschoss erzählt die Geschichte von drei Frankfurter Familien über drei Generationen hinweg: der berühmten Bankiersfamilie Rothschild, der bürgerlichen Kaufmannsfamilie Frank und der aus Osteuropa stammenden Familie des Kommunisten Valentin Senger. Erinnerungen wie auch familiäre Bräuche werden anhand von Alltagsgegenständen thematisiert, die innerhalb der Familie weitervererbt wurden.
Familie Frank Zentrum
Der letzte Raum der Ausstellung zeigt Objekte und Dokumente aus dem Besitz der Familie von Anne Frank. Die weltweit erste Präsentation von Alltagsgegenständen, Briefen, Gemälden und Fotos gibt einen Einblick in die familiäre Kultur des bekanntesten Opfers der Schoa.
Bildende Kunst
Bildende Kunst spielt in der neuen Dauerausstellung eine zentrale Rolle. Die dritte Etage umfasst drei Galerieräume, in denen Gemälde und Zeichnungen als Reflexion über historische Entwicklungen und jüdische Selbstverständnisse in Szene gesetzt werden. Die zweite Etage bietet zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern in wechselnden Präsentationen die Möglichkeit, individuelle Zugänge zum Thema „Tradition und Ritual“ zu entwickeln und in der ersten Etage reflektiert eine Skulptur Empfindungen, die mit Migrationsgeschichten im familiären Rahmen zusammenhängen.
State of the art: Mixed Media
Neben der Präsentation von Kunst und Kunsthandwerk, persönlichen Aufzeichnungen, Fotografien und Filmen, historischen Dokumente und Alltagsgegenständen umfasst der Ausstellungsrundgang mediale Rauminszenierungen, Schattenspiel- und Film-Projektionen sowie interaktive Mehr-Kanal-Video-Installationen. Medienstationen mit Animationsfilmen, Slideshows und historische Filme ergänzen die Objektpräsentation auf visuell ansprechende und anschauliche Art und Weise. Hinzu kommen Touch-Objekte und Orientierungspläne für Besucherinnen und Besucher mit Einschränkungen.
Museum To Go
„Museum To Go“ – dieses eigens entwickelte Gadget ermöglicht es den Besucherinnen und Besuchern, ausgewählte Elemente der Ausstellung digital mitzunehmen. Es besteht aus einer Karte, die sie am Eingang erhalten, und mehreren, über die Ausstellung verteilten Stationen. Die Interaktion an diesen Stationen führt dazu, dass ausgewählte Filme, Fotos oder weitere Informationen auf einer personalisierten Website zugänglich gemacht werden, die mit Hilfe eines Zugangscodes auf der Karte aufgerufen werden kann. „Museum to Go“ vertieft und mobilisiert das Ausstellungserlebnis.
Katalog
Zur Ausstellung erscheint ein zweisprachiger Katalog „Jüdisches Frankfurt“ im Beck-Verlag, der rund 280 Seiten mit circa 160 farbigen Abbildungen umfasst. Er gibt eine Übersicht über 200 Jahre jüdische Geschichte in Frankfurt, stellt ausgewählte Persönlichkeiten vor und begleitet die Ausstellung mit Essays und Abbildungen. Der Katalog wird von Fritz Backhaus, Sabine Kößling und Mirjam Wenzel herausgegeben,
Raum für Kreativität und Phantasie:
Neue Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien
Für junge Besucherinnen und Besucher hält die Ausstellung mehrere Hands-On-Stationen mit Objekten zum Spielen bereit. Ein Mitmachheft mit den beiden Hausgeistern Levy und Fanny lädt zu Entdeckungstouren ein. Das neue „Studio Alef“ auf der zweiten Etage dient mit seiner Werkstatt und einem „Denkraum“ als Ort für kreatives Werken und Kochen. Es kann darüber hinaus für Geburtstagsfeiern genutzt werden. Hier findet auch der Yoffi Club, das Kinderprogramm des Jüdischen Museums, statt, in dem kleine Museumsbesucherinnen und –besucher ab 3 Jahren mit allen Sinnen die Vielfalt jüdischer Kultur entdecken können.
Pressemitteilung (PDF)
Objekte und Highlights
Drittes Obergeschoss: Geschichte und Gegenwart
Timm Ringewaldt, Still aus der interaktiven Begrüßungsinszenierung im Raum „Gegenwart“, Autokolor, Berlin, 2020.
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Blick in die Dauerausstellung im Rothschild-Palais.
Jüdisches Museum Frankfurt, Foto: Norbert Migluetz CC-BY 4.0 Download
Moritz Daniel Oppenheim (1800 – 1882), "Moses mit den Gesetzestafeln", München, 1817/18, Öl auf Leinwand, 197 x 130 cm, Dauerleihgabe der Adolf und Luisa Haeuser-Stiftung für Kunst- und Kulturpflege, Frankfurt am Main.
Gemeinfrei. Download
Benno Elkan (1877 – 1960), Chanukka-Leuchter "Die fünf Makkabäer", Frankfurt am Main, um 1925, Bronze, 68,8 × 77,5 cm.
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Ludwig Meidner (1884 − 1966), "Klagender unter Toten", aus dem Zyklus "Leiden der Juden in Polen" oder "Massacres in Poland", Großbritannien, London, 1942 – 1945, Aquarell, Kohle, 55,5 × 75,8 cm.
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Zweites Obergeschoss: Tradition und Ritual
Avi Biran (geb. 1964), Chanukka-Leuchter, Israel, 2008, Aluminium, H 12 cm.
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Seder-Teller Österreich, Wien, 1858, Silber, aus Modeln gedrückt, graviert, H 5,2 cm, Dm 29 cm.
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Rachel Kanter (geb. 1970), “Between Me and God“, Tallit für Frauen, USA, Monclair, New Jersey, 2010, Baumwolle, Fotodruck, 80 × 70 cm.
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Erstes Obergeschoss: Familie und Alltag
Jakob Nussbaum (1873 – 1936), Der Frankfurter Opernplatz, Frankfurt am Main, 1905, Öl auf Leinwand, 86,5 × 106,5 × 4 cm (Rahmenmaß)
© Familie Frank Zentrum / Anne Frank Fonds Basel. Download
Barbara Klemm (geb. 1939), Buddy (1925 – 2015) und Gerti (geb. 1933) Elias in ihrem Haus in der Herbstgasse, Schweiz, Basel, 2013, Fotografie.
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Kinderstuhl mit rotem Polster, in der Familie Elias „Anne Frank Stuhl“ genannt, 19. Jh., Holz, Polsterstoff, Leihgabe Anne Frank Fonds, Basel, 57 x 36 x 39 cm.
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Grußkarte der vier Kinder Robert (1886 – 1953), Otto (1889 – 1980), Herbert (1891 – 1987) und Leni Frank (1893 – 1986), Frankfurt am Main, um 1895. 14,8 × 21 cm
© Familie Frank Zentrum / Anne Frank Fonds Basel. Download
Wilhelm Heinrich Schlesinger (1814-1893), Salomon Mayer von Rothschild (1774-1855), 1838, Öl auf Leinwand, 294,5 x 218,5 cm.
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