Gemälde "Ner Tamid" von Samuel Bak

1993: Samuel Bak

Landschaften Jüdischer Erfahrung

Die Schoa nimmt in Samuel Baks künstlerischen Werk einen zentralen Stellenwerk ein. 1993 widmeten wir ihm eine Ausstellung. In unserer Reihe zu 30 Jahren Jüdisches Museum blickt unsere Sammlungsleiterin Dr. Eva Atlan zurück.

Mit der Ausstellung "Samuel Bak. Landschaften Jüdischer Erfahrung" zeigte das Jüdische Museum Frankfurt erstmals Werke eines zeitgenössischen Künstlers. Samuel Baks Kunst und sein Leben sind nicht voneinander zu trennen, sie sind geprägt von der Auseinandersetzung mit den persönlichen Erfahrungen in der Schoa.

Samuel Bak, 1933 in Wilna (Litauen) geboren, hatte als Kind miterleben müssen, wie seine Großeltern und sein Vater ermordet wurden. Mit seiner Mutter gelang ihm nach dem Krieg die Flucht über Polen zunächst in ein DP-Lager im bayerischen Landsberg. Schon als Kind hatte er künstlerisches Talent bewiesen und den Drang empfunden, das Erlebte bildnerisch auszudrücken. Jahrzehnte später fand er zu einer ganz eigenen Formensprache, mit der er versucht, ein komplexes Bild vom jüdischen Schicksal und der Welt nach der Schoa zu entwickeln. Wie kaum ein anderer Maler setzt sich Samuel Bak bis heute intensiv mit der Frage der künstlerischen Fassbarkeit des traumatischen Erlebnisses der Massenvernichtung in der NS-Zeit auseinander. Dabei verarbeitet er nicht nur sein persönliches Schicksal, sondern berührt auch ein kollektives Bewusstsein.

Es war für mich die erste Ausstellung, die ich zusammen mit meiner Kollegin Ljuba Berankova kuratieren durfte und zu der ich die Katalogtexte schrieb. Dem vorausgegangen war meine Suche nach einem Thema für meine anstehende Magisterarbeit. Der damalige Direktor des Museums Georg Heuberger s.A. lenkte meine Aufmerksamkeit auf den Künstler Samuel Bak. Dessen Werk war bis dahin kaum aufgearbeitet und es gab keine wissenschaftliche Arbeit über ihn. Für mich eine einmalige Gelegenheit, Ausstellungskonzeption und Universitätsabschluss zu verbinden! Dank der Vermittlung durch Frau Ida Bubis, die Frau von Ignatz Bubis, konnten wir persönlich Samuel Bak in seinem damaligen Wohnort in der Schweiz besuchen. Der Künstler arbeitete gerade an einem Zyklus großformatiger Gemälde, den “Landschaften Jüdischer Erfahrung”.

Samuel Bak war zu diesem Zeitpunkt im Begriff, die Schweiz zu verlassen und nach Boston / Massachusetts zu ziehen. Der Direktor des Jüdischen Museums entschloss sich kurzfristig, diese Werke vor seiner Emigration in Frankfurt zu zeigen, zusammen mit Aquarellen und Zeichnungen aus Baks Zeit in Landsberg. In seinen “Landschaften Jüdischer Erfahrung” verbindet der Künstler Symbole der jüngsten jüdischen Geschichte, dargestellt durch Häuserruinen, dem David-Stern und Schornsteinen, denen er Symbole des traditionellen Judentums gegenüberstellt, wie die Kerzen der rituellen Lichter. Aber diese klar definierten Symbole werden in seinen Bildern auch Metarmorphosen unterzogen. So werden die Schabbat-Kerzen zu rauchenden Schornsteinen, die Gesetzestafeln erscheinen als Grabsteine und die Landschaft erhält eine neue inhaltliche Bedeutung.