Im Fokus der Ausstellung stand die Auseinandersetzung mit der Rezeptionsgeschichte Marc Chagalls in Deutschland. Geprägt von anfänglicher Sammlerbegeisterung in der Weimarer Zeit, änderte sich die Wahrnehmung Chagalls in Deutschland während des Nationalsozialismus dramatisch. Marc Chagall, eine Gallionsfigur der Moderne, wurde vom Geheimtipp zum entarteten Künstler.
Lieblingsmaler der Deutschen
Viele der Kunstschaffenden und Künstler*innen, die ebenfalls als entartet verfemt und während der Zeit des Nationalsozialismus von Repressalien und Verfolgung betroffen waren, konnten in der Nachkriegszeit nur bedingt wieder an ihrem Erfolg der Vorkriegszeit anknüpfen. Nicht so Chagall: auserkoren zum Lieblingsmaler der Deutschen bot er nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen heiteren Motiven ungewollt eine Projektionsfläche für den Wunsch der Deutschen nach Absolution. Seine farbenfrohen Bilder mit den Blumen, den Clowns, den frei schwebenden Bräuten waren in Wohnzimmern und Arztpraxen fast omnipräsent.
Querschnitt durch Chagalls gesamte Schaffenszeit
Chagalls bekanntes Spätwerk, so heißt es zu Beginn des Ausstellungstexts im Katalog, "verführe die Menschen" und "rufe Gefühle der Harmonie, der Freude und des Glücks hervor". Als Besonderes Highlight der Ausstellung galt deswegen die große Zahl an eher unbekannten Frühwerken, die mit ihrer erdigen Farbpalette und der beginnenden Konzentration auf religiöse Themen die Besucher überraschten. So war es möglich die Entwicklung von Chagalls Malstil und Bildmotiven über seine gesamte Schaffenszeit hinweg verfolgen und die historisch-politischen Umstände nachzuvollziehen, die nicht nur die die Wahrnehmung seiner Werke beeinflusst hatten, sondern auf die Chagall selbst bewusst Bezug genommen hatte.
Auch wenn die Ausstellung die Fragen, die sich im Spannungsfeld zwischen Marc Chagall und "den Deutschen" aufdrängten, die den modernen Künstler sowohl verehren als auch verfemen konnten, nicht beantwortete, sorgte die Präsentation von 140 Werken Chagalls dafür, die spannende Auseinandersetzung zwischen Konsument*innen und Künstler*innen zu begreifen.
Die Ausstellung im Jüdischen Museum entstand in Kooperation mit dem Max Liebermann Haus der Stiftung „Brandenburger Tor“ unter der Leitung von Prof. Monika Grütters, der heutigen Staatsministerin für Kultur und Medien.