Pop Up Monument des Jüdischen Museums auf dem Willy Brandt Platz Frankfurt

2017: Das Pop Up Monument

Ein Festival jüdischer Gegenwart in Frankfurt

Mitten in der Frankfurter City, auf dem Willy-Brandt-Platz , errichteten das Jüdische Museum vom 7. bis 17. September 2017 einen temporären Veranstaltungsort. Während der elftägigen Laufzeit bildete das Pop Up Monument mit täglichen Tages- und Abendveranstaltungen eine attraktive Begegnungsstätte und Plattform für jüdische Gegenwartskultur. Die Projektleiterin Sonja Thäder wirft einen Blick zurück.

Was ist für Sie ein jüdischer Ort? Diese Frage ist bewusst subjektiv gestellt. Wer kann schon sagen, was einen Ort „jüdisch“ macht?! Diese und weitere Fragen haben wir ganz offen an unsere Besucher gestellt. Und das mitten in der Frankfurter Innenstadt, an einem Ort ohne Mauern, ohne Sicherheitsschleuse – für ein Jüdisches Museum ein besonderer Schritt.

Pop Up Monument des Jüdischen Museums auf dem Willy Brandt Platz Frankfurt.
Pop Up Monument des Jüdischen Museums auf dem Willy Brandt Platz Frankfurt. Foto: Norbert Miguletz

Dieser Schritt wurde belohnt. Rund 6.000 Besucher folgten ihrer Neugierde und kamen zu uns an und in unseren glänzenden, monumentalen Ballon. Ein langer geschwungener Tisch mit Holzstühlen und Lichtgirlanden lud zu einem Aufenthalt im Freien ein. Das leckere Catering aus dem Food-Truck von Goose tat sein Übriges. Und natürlich wollten alle einmal in den transparenten Ballon hineingehen. Ein kurzer Sicherheitscheck am Eingang und schon war man drin. Drinnen sorgten der hohe Innenraum und seine Akustik für Staunen. Man fühlte sich wirklich „drinnen“, obwohl man die Passant*innen draußen sehen und hören konnte. Ganz zu schweigen vom Verkehr an der Straßenkreuzung.

Pop Up – wir gehen in die Stadt

Im Spätsommer 2016 hatte das Jüdische Museum bei einem ersten Pop Up Projekt ein Boot auf dem Main bespielt. Das Pop Up Boat war ein Ort der Begegnung und temporäre Plattform für jüdische Gegenwartskultur im Frankfurter Stadtraum. Damit konnten wir während der Schließzeit unseres ersten Museumsstandorts im Rothschild-Palais und einen ersten Ausblick auf das weite Spektrum an Themen geben, die das neue Jüdische Museum in Zukunft beschäftigen werden.

Jewish Space

Für das Jahr 2017 wollten wir diesen Pop Up-Gedanken in neuer Gestalt und an einem anderen Ort weiterführen. Die Idee zum Monument und der Platzgestaltung hatten wir mit dem Künstlerkollektiv raumlaborberlin entwickelt. Sie stellten uns ihr „Küchenmonument“ zur Verfügung, entwickelten eigens Mobiliar für den Außen- und Innenbereich.

Das begehbare Monument erwies sich als ideal, um den temporären und fragilen Charakter jüdischer Orte zu symbolisieren und das Konzept des „Jewish Space“ zu reflektieren. Es handelte sich um einen permanent mit Luft gefüllten begehbaren Ballon aus durchscheinendem Material, der von außen einsehbar ist. Mit seiner durchsichtigen Membran bildete dieser Ballon einen sensitiven und zugleich transparenten Ort, der sich bewusst dem urbanen Leben der Stadt „aussetzte“, die imposante Häuserlandschaft Frankfurts in seinem monumentalen Umfang aufgriff und mit seiner sensiblen Hülle konterkarierte. Als eine Skulptur im öffentlichen Raum nahm diese Blase zugleich auch Bezug auf die Denkmäler und Skulpturen an verschiedenen öffentlichen Plätzen und Orten der Stadt. Eben diesen Bezug wollten wir durch den Namen „Pop Up Monument“ unterstreichen und in unseren Angeboten vor Ort thematisieren. Gleichzeitig griff das Programm aktuelle gesellschaftliche Diskurse auf und gab Einblick in museumsspezifische Fragestellungen.

Partizipation im Museums-Lab und Crowdsourcing

Das Pop Up Monument veränderte vom Tag zum Abend hin seinen Innenraum. Tagsüber war es ein begehbares Kunstobjekt mit einem Museums-Lab. Dazu gehörten drei Mitmach-Stationen, die Besucher*innen einluden, ganz praktisch an Fragen zur künftigen Ausstellungsgestaltung mitzuarbeiten.

Der Topos „Jewish Space“ wurde auf einer interaktiven Tafel mit einer Frankfurtkarte aufgegriffen und lud die Besucher*innen dazu ein, heutige oder vergangene jüdische Orte zu markieren. Hands On-Materialien animierten dazu, Texte zu diesen Orten zu verfassen. Eine Crowdsourcing-Aktion in den sozialen Medien forderte dazu auf, dem Museum Fotos von diesen Orten zuzusenden, die dann vor Ort auf der Karte zu sehen waren.

Kuratorenwand und Zielgruppen-Workshops

Im Pop Up Monument des Jüdischen Museums auf dem Willy Brandt Platz Frankfurt
Im Pop Up Monument des Jüdischen Museums auf dem Willy Brandt Platz Frankfurt. Foto: Norbert Miguletz

Warum dauert es so lange, neue Ausstellungen zu entwickeln und umzusetzen? Besucher*innen bekamen die Gelegenheit, sich an einer Kuratorenwand mit einigen Fragen auseinanderzusetzen, die uns bei der Gestaltung der neuen Dauerausstellung beschäftigen. Wie können und sollten historische Fotos ausgestellt werden? Was interessiert Besucher*innen vorrangig an einem Judaica-Objekt? Wie soll Technik in der Ausstellung funktionieren? Hierfür waren unsere Kurator*innen jeden Tag vor Ort und sammelten Besucher-Feedback.

Als besonderes Angebot führten unsere Pädagog*innen und Kurator*innen Zielgruppenworkshops durch. Auch hier standen Fragen über Zugänge zu den Inhalten der neuen Dauerausstellung im Vordergrund. Wann ist ein Ausstellungstext verständlich? Wo gibt es für unterschiedliche Besucher*innen gemeinsame Nenner? Welche Themenschwerpunkte der neuen Dauerausstellung interessieren mehr oder weniger? Die Ergebnisse der partizipativen Ausstellungselemente und Workshops flossen später in die konzeptionelle Weiterentwicklung unserer neuen Dauerausstellung ein.

Tagesprogramm: Führungen und Kaffee & KO

Eine Menschengruppe ist gemeinsam unterwegs in Frankfurt auf einer Stadtführung des Jüdischen Museums
Unterwegs durch Frankfurt auf einer Stadtführung des Jüdischen Museums

Täglich gab es die Gelegenheit bei „Kaffee&KO“ einen Kurzvortrag zu Kunst, Familiengeschichten und Merkwürdigkeiten unserer Sammlungen zu besuchen. Außerdem boten wir zahlreiche Stadterkundungen an: zu den Skulpturen und Monumenten in den Wallanlagen, durch das Bahnhofsviertel, das Bankenviertel und das Westend, wo die Besucher*innen erfuhren, wie Jüdinnen und Juden vor und nach 1945 das Leben dieser Gegenden geprägt haben. Ein Novum bildete das Format „Mein Frankfurt“ -Stadtspaziergänge mit prominenten Gästen. Gila Lustiger, Michel Bergmann, Rachel Heuberger und Hanno Loewy führten zu Orten ihr ganz persönlichen (jüdischen) Geschichte in Frankfurt.

Abendprogramm

Konzert im Pop Up Monument des Jüdischen Museums auf dem Willy Brandt Platz Frankfurt
Konzert im Pop Up Monument des Jüdischen Museums auf dem Willy Brandt Platz Frankfurt. Foto: Norbert Miguletz

Abends verwandelte sich das Pop Up Monument in eine Bühne für Lesungen, Filmvorführungen, Konzerte und Podiumsdiskussionen. Es wurde zu einer Plattform jüdischer Gegenwartskultur und knüpfte an die grundlegenden Themenbereiche an, die bereits für das Pop Up Boat 2016 formuliert worden waren.

Fazit

Das Pop Up Monument schuf für die Dauer von elf Tagen einen besonderen jüdischen Ort auf dem Willy-Brandt-Platz. Es bescherte dem Jüdischen Museum eine große Aufmerksamkeit von Seiten der Besucher und Passanten, in den sozialen Medien sowie der regionalen und überregionalen Presse. Besonders freute uns ein Hinweis aus Japan, dass das Pop Monument prominent auf der Webseite der tagesschau auftauchte.