Orden und Schriftstücke aus dem Nachlas Hans Julius Wolff

Nachlass Hans Julius Wolff

Dokumente einer jüdischen Akademikerfamilie

Es handelt sich bei diesem Nachlass um ein umfangreiches Konvolut von Briefen, Tagebüchern, Familiendokumenten, Orden und Ehrenzeichen einer großen jüdischen Akademikerfamilie, deren gemeinsamer Vorfahre Rabbiner Lewin Aron Pinner (1799–1873) war.

Einige Indizien sprechen dafür, dass dieses Konvolut von Hans Julius Wolff zusammengetragen wurde. So schreibt sein Vater Bruno Wolff unter dem Datum vom 16.03.1917 in seinem Kriegstagebuch Nr. V, dass er sich über das große Interesse seines Sohnes Hans Julius an der Geschichte seiner Vorfahren freue. Schon früh sieht der Vater das ausgeprägte Geschichtsbewusstsein seines damals 15jährigen Sohnes als etwas Besonderes an und würdigt es an mehreren Stellen.

Hans Julius Wolff, Rechtshistoriker

Der spätere Rechtshistoriker Hans Julius Wolff (1902–1983) mit seinem jüngeren Bruder Reinhard, 1912
Der spätere Rechtshistoriker Hans Julius Wolff (1902–1983) mit seinem jüngeren Bruder Reinhard, 1912

Prof. Dr. Hans Julius Wolff (1902–1983), eine weltweit anerkannte Autorität für Römisches und Griechisches Recht, sah sich 1935 zur Emigration gezwungen, nachdem er seiner Ämter beraubt worden war. Er ging von Berlin aus zunächst nach Panama und von dort 1939 in die USA. Er nahm einige große Überseekoffer mit dem oben genannten Nachlass seiner Vorfahren mit in die Emigration. Als er 1952 einen Lehrstuhl für antike Rechtsgeschichte zunächst in Mainz und später in Freiburg erhielt, brachte er den großen Nachlass wieder nach Deutschland zurück. Seiner Tochter, Dr. Katherine Wolff, ist es zu verdanken, dass dieser überaus wertvolle Nachlass in das Jüdische Museum Frankfurt kam.

Der Nachlass

Fast 1.000 Briefe (beginnend 1844, endend 1921) zwischen den einzelnen Familienmitgliedern sind zum größten Teil in gutem Zustand erhalten. In ihnen liest sich die Geschichte nicht nur der Pinner-Familie, sondern auch der durch Heirat mit ihr verbundenen Linien. Es entwickelt sich ein spannendes Tableau jüdischen Lebens, das auch ein Licht wirft auf die extrem schwierigen Lebensbedingungen des entstehenden jüdischen Bürgertums im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Darüber hinaus geben uns die Dokumente der akademisch arrivierten Männer auch Zeugnis vom Antisemitismus jeglicher Ausprägung in jenen Zeiten.

Bruno Wolff und Julius Wolff, Ärzte

An dem Nachlass lassen sich mindestens zwei Zentren und Protagonisten der medizinischen Forschung studieren:

1. Der Vater von Hans Julius Wolff war Bruno Wolff (1870–1918), Professor für Pathologie in Berlin und Rostock. Während des gesamten Ersten Weltkriegs war er als Militärarzt im Einsatz. Er starb am 10. November 1918 an einer Infektion, die er sich bei einer Operation zugezogen hatte. Er hinterließ zahlreiche Tagebücher über diese Zeit.

2. Der Großvater von Hans Julius und Vater von Bruno Wolff war der berühmte Arzt Julius Wolff (1836–1902), Professor in Berlin, Begründer der deutschen Orthopädie und Entdecker der Osteoporose als Krankheit. Er führte als einer der ersten Ärzte Operationen an der Gaumenspalte bei Kindern und am Klumpfuß in der Berliner Charité aus. Im Jahr 2008 ehrte die Charité Berlin ihren berühmten früheren Mitarbeiter mit der Errichtung eines „Julius Wolff Institutes“. Außerdem veröffentlichten die dort lehrenden Professoren Georg Duda und Georg Bergmann 2010 ein Reprint des Hauptwerkes von Julius Wolff aus dem Jahre 1892 mit dem Titel: „Das Gesetz der Transformation der Knochen“. Dazu wurden mehrere Briefe aus der im Jüdischen Museum Frankfurt befindlichen Korrespondenz beigefügt, die Wolff mit Ärzten aus aller Welt führte.

Weitere Briefe und Zeugnisse

Erwähnenswert sind auch 137 Briefe von dem 1851 nach Amerika ausgewanderten Kaufmann Moritz Pinner (1828–1911) an seinen Bruder Adolf Pinner (1842–1909), Prof. für Chemie am Veterinär-Institut in Berlin, ältester und jüngster Sohn von Rabbi Lewin Aron Pinner. Sie werfen ein Licht nicht nur auf gelebtes jüdisches Leben, sondern auch auf politische und wirtschaftliche Ansichten der damaligen Zeit.

Eine Zusammenfassung dieser Briefe wurde 2013 in Deutsch und Englisch publiziert unter dem Titel:
Moritz Pinner (USA) an Adolf Pinner (Berlin): Briefe eines jüdischen Deutsch-Amerikaners an seinen Bruder in Deutschland (1863 - 1919). Transkription und Kommentar: Karola Nick; Mitarbeit und kritische Durchsicht: Michael Lenarz; Übersetzung ins Englische: Katherine E. Wolff
Norderstedt: Books on Demand, 196 S.
ISBN 978-3732237753

Zum weiteren Verwandtenkreis der Familie Wolff zählt auch der Nobelpreisträger Paul Ehrlich (1854–1915) aufgrund der gemeinsamen Abstammung über die mütterliche Linie von Abraham Weigert (1786–1868), Fabrikant in Rosenberg / Schlesien. Im Nachlass von Hans Julius Wolff fanden sich autobiographische Zeugnisse von Abraham Weigert und seinem Sohn Hermann Weigert, die einen guten Einblick in die Lebensverhältnisse geben, denen Abraham Weigerts Enkel Paul Ehrlich entstammte.

Freie MitarbeiterinKarola NickKarola Nick unterstützt die Erfassung der handschriftlichen Archivbestände durch Transkriptionen. Für ihre jahrelange ehrenamtliche Tätigkeit wurde ihr 2017 die Römerplakette der Stadt Frankfurt in Gold verliehen.