Blick auf die Mauer der Gedenkstätte Neuer Börneplatz in Frankfurt mit den Namensblöcken für knapp 12.000 Opfer des Holocaust aus Frankfurt

Zerstörte Leben

Erinnerung an die Schoa in Frankfurt

In Frankfurt gibt es eine Reihe von Institutionen und Vereinen, die an das jüdische Leben in der Stadt vor der nationalsozialistischen Herrschaft erinnern. Sie erforschen die Entrechtung, Verdrängung und Ermordung in den Jahren 1933 bis 1945, klären über diese Zeit auf und leisten Erinnerungsarbeit.

Vor der nationalsozialistischen Machtübernahme hatten etwa fünf Prozent der Frankfurter Bevölkerung einen jüdischen Familienhintergrund. Die Jüdische Gemeinde war die zweitgrößte im Deutschen Reich. Aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung, systematischer Ausgrenzung und gewalttätigen Übergriffen verließ die Mehrheit der Frankfurter Jüdinnen und Juden bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs die Stadt. Die Zurückgebliebenen waren häufig alte und kranke Menschen. Ab 1941 wurden sie in mehreren großen Transporten in die Gettos, Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert und dort ermordet. Von ursprünglich 30.000 Jüdinnen und Juden überlebten in der Stadt nur etwa 200 Personen. Meist waren es Angehörige aus konfessionell gemischten Partnerschaften.

Hier stellen wir Euch einige der Institutionen und Vereine vor, die dieses Geschehen erforschen und an die Schoa erinnern.

Fritz Bauer Institut

Logo des Fritz Bauer Instituts
Logo des Fritz Bauer Instituts

Das Fritz Bauer Institut erforscht seit seiner Gründung im Jahr 1995 die Geschichte und Wirkung des Holocaust. Seinem Namen entsprechend, spielt die Dokumentation des Frankfurter Auschwitz-Prozesses (1963-65) und des Wirkens von Generalstaatsanwalt Fritz Bauer dabei eine zentrale Rolle. Es hat eine umfangreiche Datenbank der Zeugenaussagen im Auschwitz-Prozess aufgebaut und erarbeitete gemeinsam mit dem Jüdischen Museum eine Wanderausstellung sowie einen Film über Fritz Bauer.

Das Institut betreut das Norbert Wollheim Memorial, ein Gedenkort an die NS-Zwangsarbeiter auf dem Gelände des ehemaligen IG-Farben-Gebäude. Heute gehört das Gelände zum Campus Westend der Goethe Universität. Es erforscht auch die Geschichte der Goethe-Universität während der nationalsozialistischen Herrschaft. Das Institut beherbergt eine Bibliothek und ein Archiv zu Geschichte und Wirkung des Holocaust. Dort kann auch die Datenbank „Vor dem Holocaust. Jüdisches Landleben in Hessen“ eingesehen werden.

Shoah Memorial Frankfurt

Das Shoah Memorial Frankfurt macht die Biografien der mehr als 12.000 Jüdinnen und Juden digital zugänglich, die in Frankfurt gelebt, in den Jahren 1933 und 1945 entrechtet, verfolgt, deportiert und ermordet oder in den Freitod getrieben wurden.

Screenshot aus dem digitalen Shoah Memorial Frankfurt

Institut für Stadtgeschichte

Logo des Instituts für Stadtgeschichte Frankfurt
Logo des Instituts für Stadtgeschichte Frankfurt

Das Institut für Stadtgeschichte, vormals Stadtarchiv, ist das "Gedächtnis der Stadt". Es kümmert sich unter anderem um das Internetportal zur Stadtgeschichte im Nationalsozialismus Frankfurt am Main 1933–1945. In dieser Datenbank findet Ihr vielfältige Zugänge zum Thema, etwa über Personen- und Stichwortkataloge, historische Stadtpläne, Gedenkorte, eine Ereignischronologie sowie eine umfassende Bibliografie.

Das Institut für Stadtgeschichte betreut auch die mobile Website Gedenkorte für die Opfer der NS-Zeit in Frankfurt am Main. Mit QR-Codes lassen sich vor Ort historische Informationen auf mobilen Endgeräten abrufen.

Logo des Historischen Museums Frankfurt
Logo des Historischen Museums Frankfurt

Das Historische Museum Frankfurt wurde 1877/78 durch bürgerliches Engagement gegründet und ist das älteste Museum der Stadt. Seit 2017 zeigt das Haus drei neue Dauerausstellungen in einem architektonischen Ensemble aus Alt- und Neubauten. Seit den 1980er Jahren realisierte das Museum immer wieder Wechselausstellungen und Kataloge zu den Themen Jüdisches Leben in Frankfurt, Nationalsozialismus, Schoa, Gedenken und Erinnerung.

Bildungsstätte Anne Frank e.V.

Logo der Bildungsstätte Anne Frank
Logo der Bildungsstätte Anne Frank

Zum 65. Geburtstag von Anne Frank wurde 1994 im Frankfurter Stadtteil Dornbusch das Projekt "Auf den Spuren der Anne Frank" realisiert. Engagierte Frankfurter*innen gründeten noch im selben Jahr einen Verein für Jugendarbeit. Seit 2013 heißt er Bildungsstätte Anne Frank. Das interdisziplinäre Angebot mit Fortbildungen in Betrieben, Beratungen und Publikationen richtet sich mittlerweile auch an Erwachsene, Lehrer*innen, Sozialarbeiter*innen und sonst pädagogische Fachkräfte. Das interaktive Lernlabor Anne Frank. Morgen mehr macht nicht nur mit Leben und Werk Anne Franks vertraut. Es sensibilisiert auch jugendliche und erwachsene Gäste für Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung in Vergangenheit und Gegenwart. Im Mobilen Lernlabor Mensch, Du hast Recht(e)!, das als Wanderausstellung konzipiert ist, können Besucher*innen Themen selbst entdecken und Fragen diskutieren: Wie entstehen Vorurteile? Wie funktioniert Demokratie?

Initiative 9. November e.V.

Logo der Initiative 9. November
Logo der Initiative 9. November

Der Verein Initiative 9. November gründete sich 1988 und kümmert sich seither darum, dass der Hochbunker an der Friedberger Anlage als Gedenk- und Erinnerungsort wahrgenommen wird. An seiner Stelle stand ab 1907 die prächtige Synagoge der Israelitischen Religionsgesellschaft. Das Gotteshaus wurde während der November-Pogrome 1938 von den Nationalsozialisten zerstört. In den Sommermonaten und nach Vereinbarung öffnet der Verein in ehrenamtlichem Engagement den Hochbunker für Ausstellungen, Führungen, Lesungen, wissenschaftliche und musikalische Veranstaltungen. Dabei legen die Mitglieder stets Wert auf die enge Kooperation mit Zeitzeug*innen.

Das Jüdische Museum Frankfurt zeigt im Hochbunker seit 2004 die Ausstellung Ostend. Blick in ein jüdisches Viertel, für die auch ein englisch-sprachiger Katalog vorliegt.

Projekt Jüdisches Leben in Frankfurt. Spurensuche – Begegnung – Erinnerung e.V.

Der Verein Projekt Jüdisches Leben in Frankfurt gründete sich 2014. Die Initiative arbeitet bereits seit Ende der 1970er Jahre und organisiert Begegnungen zwischen Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus aus rassischen oder politischen Gründen verfolgt und zur Emigration gezwungen wurden sowie deren Nachkommen im Rahmen eines städtischen Besuchsprogramms. Der Verein vermittelt Gespräche mit Zeitzeug*innen an Schulen und erstellt Unterrichtsmaterialien und Dokumentationen. Er kooperiert mit den Museen und Archiven der Stadt, mit Geschichtsinitiativen und Schulen, mit der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit in Hessen oder mit der Vereinigung Gegen das Vergessen – Für Demokratie e.V. Einen Schwerpunkt der Vereinsarbeit bildet das Thema "Kindertransporte" und die Errichtung eines Denkmals zur Erinnerung an die Kindertransporte aus Frankfurt.

Forschungsprojekt Jüdische Pflegegeschichte / Jewish Nursing History

Das Forschungsprojekt Jüdische Pflegegeschichte entstand aus der Forschungs- und Sammlungstätigkeit der Pflegewissenschaftlerin Prof. Dr. Hilde Steppe (1947-1999). Es ist angesiedelt am Fachbereich Soziale Arbeit der Frankfurt University of Applied Sciences und forscht zu Kranken- und Altenpflege, die Betreuung in Kinderheimen und sonstigen sozialen Einrichtungen in Frankfurt. Ein zentrales Anliegen des Projektes ist es, die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgten, vertriebenen und ermordeten Jüdinnen und Juden, die im Pflegebereich tätig waren, zu würdigen. Im Internetportal Jüdische Pflegegeschichte könnt Ihr nach Biografien, Institutionen, Gemeindeeinrichtungen, historischen Orten oder weiterführender Literatur recherchieren.

Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main e.V.

Stolpersteine in Frankfurt
Stolpersteine in Frankfurt

Der Verein Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main e.V. wurde 2003 als Teil des internationalen Kunst- und Gedenkprojektes des Kölner Künstlers Gunter Demnig gegründet. Er initiiert seither die Verlegung von Stolpersteinen in Frankfurt. Im Oktober 2019 konnte der 1.500. Stein eingebracht werden. Die Anregungen dazu kommen häufig von Familienangehörigen, aber auch von Hausbesitzer*innen und Mieter*innen mit Interesse für die Stadtgeschichte. Zusammen mit ihnen sowie den Pat*innen der Stolpersteine recherchiert die Initiative die Biografien und Schicksale verfolgter Frauen, Männer und Kinder. Auch das Jüdische Museum Frankfurt, das Institut für Stadtgeschichte, Schulen, Kirchengemeinden und Vereine sind in die Arbeit einbezogen. Inzwischen verlegt der Verein Stolpersteine nicht mehr ausschließlich für ermordete jüdische Bürger*innen Frankfurts, sondern auch für Überlebende sowie für alle Menschen, die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung wurden, etwa Sinti, Personen aus dem Widerstand, Zwangsarbeiter*innen, Homosexuelle, physisch und psychisch Beeinträchtigte, Zeugen Jehovas.

Initiative gegen das Vergessen

Historisches Foto der Adlerwerke Frankfurt
Die Adlerwerke zur Zeit des Nationalsozialismus; Foto: Dr. Wolff & Tritschler (aus: Kaiser/Knorn Wir lebten und schliefen zwischen den Toten)

Die Initiative gegen das Vergessen wurde 1996 durch den Verein Leben und Arbeiten in Gallus und Griesheim (LAGG) initiiert. 1944 war im Frankfurter Gallusviertel auf dem Gelände der Adlerwerke ein Konzentrationslager mit dem Decknamen "Katzbach" in Betrieb genommen worden. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden dort etwa 1.600 Zwangsarbeiter*innen unter grausamen Verhältnissen ausgebeutet; nur wenige von ihnen überlebten. Die Mitglieder des Vereins arbeiten die Geschichte der Adlerwerke während der Zeit des Nationalsozialismus und vor allem den Betrieb des Konzentrationslagers auf dem Gelände der Adlerwerke auf. Dazu kooperiert der Verein mit Schüler*innen, Lehrer*innen und ehemaligen Vertreter*innen des letzten Betriebsrats. In regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen und Aktionen versucht die Initiative nicht nur die ermordeten Opfer zu würdigen, sondern auch für Überlebende eine finanzielle Entschädigung zu erstreiten.

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Kreisvereinigung Frankfurt

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) wurde 1947 gegründet als ein überparteilicher und Generationen übergreifender Zusammenschluss von Verfolgten des NS-Regimes und Widerstandskämpfer*innen. 1971 erweiterte sich die VVN um den Bund der Antifaschistinnen. Die VVN – BDA mit Hauptsitz in Berlin unterhält in den Bundesländern sogenannte Kreisvereinigungen. Mit Ausstellungen, Aktionen und der zweimonatlich erscheinenden Zeitschrift antifa kämpft die Vereinigung für den Erhalt von Demokratie, Frieden, Freiheit und Menschenwürde, sucht die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten und an den antifaschistischen Widerstand wachzuhalten. Dezidiert tritt sie Menschenfeindlichkeit, Neofaschismus, Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus entgegen.

Studienkreis zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte des deutschen Widerstandes 1933-1945 e.V.

Der Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 wurde 1967 in Frankfurt am Main gegründet. Seine Hauptaufgabe ist die Erforschung des Widerstands während der Zeit des Nationalsozialismus. Anfänglich konzentrierte sich die Tätigkeit auf den Widerstand aus der Arbeiterbewegung. Heute erforscht der Verein auch die Widerstandsgeschichten etwa von Frauen, Jugendlichen, Jüdinnen und Juden und Christ*innen. Im Zentrum steht das Dokumentationsarchiv des deutschen Widerstands, das Informationen und Erkenntnisse über den antifaschistischen Widerstand, über NS-Verfolgung, Zwangsarbeit, das nationalsozialistische Lagersystem und zu verschiedenen Opfergruppen der Diktatur des "Dritten Reichs" sammelt und bewahrt. Neben überregionalen und lokalgeschichtlichen Publikationen sind dies Schrift- und Bilddokumente sowie Interviews mit ehemaligen Widerstandskämpfer*innen. Der Verein initiiert und begleitet Projekte an Schulen und im universitären Bereich.